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Kategorie: „Kultur wächst da, wo sich Menschen treffen“ – Rückblick auf die Veranstaltung Audience Development neu gedacht

„Kultur wächst da, wo sich Menschen treffen“ – Rückblick auf die Veranstaltung Audience Development neu gedacht

Ein Beitrag von Antonia Schwingen

Foto: Christina Rittmannsperger

Am 7. März 2019 fand die Veranstaltung Audience Development neu gedacht – Designing Public Value im Wiener Bundeskanzleramt statt. Organisiert haben den Tag Creative Europe Desk Austria, Creative Europe Media und Europe for Citizens Point Austria in Kooperation mit KulturAgenda. Auf der Agenda standen EU-Programmvorstellungen, Vorträge von internationalen SprecherInnen und zuletzt auch ein Workshop. Antonia Schwingen, derzeit freie Mitarbeiterin am Institut für Kulturkonzepte, war an dem Tag mit dabei und schildert hier ihre Eindrücke.

Der erste Veranstaltungsblock ist der Vorstellung der Förderprogrammen gewidmet, auf deren Initiative hin das Infotreffen zustande gekommen ist. Die Schwerpunkte von Creative Europe Desk Austria liegen in der Informierung und Beratung, in Workshops, Antragschecks sowie in der Unterstützung kreativer Projektgruppen bei der europaweiten PartnerInnensuche. Als ein Beispiel für ein Großprojekt wird Ulysses genannt, das sich der Förderung junger herausragender MusikerInnen widmet. Creative Europe Media unterhält 13 Förderschienen mit dem Ziel, die Vielfalt der europäischen Filmwirtschaft zu stärken. Der Fokus des Programms liegt auf TV-Koproduktionen, der Entwicklung von Video-Games, Verleih, Vertrieb und Vermittlung im Filmsektor sowie auf Filmfestivals. Unter anderem wurde auch der jüngst oscarprämierte Film The Favourite wurde von Creative Europe Media gefördert. Europe for Citizens Point Austria stärkt die Partizipation der BürgerInnen Europas, die Unionsbürgerschaft und Freiwilligenarbeit sowie den interkulturellen Dialog. Die zwei großen Förderbereiche sind dabei „Europäisches Geschichtsbewusstsein“ und „Demokratisches Engagement und Bürgerbewusstsein“.

Foto: Christina Rittmannsperger

Was aber IST denn nun eigentlich Audience Development? Kurz und knapp: Man versteht darunter nicht nur Wertschöpfung im ökonomischen, sondern auch im immateriellen Sinn. BesucherInnen sollen zu Beteiligten gemacht werden. Christian Waltl (Kulturagenda) nennt in seinem Vortrag elementare Aspekte von Audience Development (AD): BesucherInnenorientierung, gezielte und strategische Prozesse zur Entwicklung neuer Publika, Entwicklung und Vertiefung nachhaltiger Beziehungen, BesucherInnenbindung, Diversifikation der BesucherInnengruppen und MultiplikatorInnenarbeit. Allgemein zielt AD jedoch auch auf das Bestehen im zunehmenden Wettbewerb um Förderungen und BesucherInnen, auf effiziente Ressourcennutzung und darauf, sozialer Verantwortung gerecht zu werden.

Lisa Baxter (The Experience Business) beginnt ihren anschließenden Vortrag mit einem Gedankenexperiment: Warum kauft der Mensch Blumen? Den TeilnehmerInnen fällt darauf ein: Dekoration, Duft, das Naturerlebnis im Eigenheim, jemand anderen glücklich machen… Es geht demnach gar nicht um die Blumen an sich, sondern darum, die Blumen zu “erleben”. Für Audience Development bedeutet das: Alles beginnt bei einem Menschen mit Emotionen – sensitive Wahrnehmung bedingt ein Gefühl, dieses wiederum das Erlebnis, das im nächsten Zug eine Bedeutung und dadurch einen Sinn erhält.
Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass Unternehmen viel Geld investieren, um das KundInnenerlebnis zu fördern – eine regelrechte Experience Economy bildet sich. Und das gilt nicht nur für den Kultursektor. Der Zugang zu Zielgruppen erfolgt über strategische Werterzeugung: 1. Kenne dein Publikum! 2. Hole die Innensicht ein durch BesucherInnenforschung (Recherche, Interviews)! 3. Designe das Erlebnis!

Foto: Gábor Juhász, unsplash

Nach einer Kaffeepause finden sich die TeilnehmerInnen zum dritten Veranstaltungsblock ein. Es werden konkrete Best Practice-Beispiele vorgestellt: Dancing Museums, hier repräsentiert durch Liz King, ist eine experimentelle Initiative von fünf Tanzorganisationen. Die Philosophie dahinter beruht auf der Erlebnisschaffung durch Körperlichkeit, auf der Suche nach Wegen, wie ein Publikum in das Erleben eines Künstlers oder einer Künstlerin einbezogen werden kann. Sie geht vom Körper als natürlicher gemeinsamer Nenner aller Menschen aus, der ehrlich und wahrhaftig ist.
Im Rahmen des Vermittlungsprojekts Flucht europäisch erzählen von Anisa Hasanhodžić und Rifet Rustemović kann man in einer Ausstellung und auch online von persönlichen Fluchtberichten erfahren, wobei zwischen langen und kurzen Geschichten gewählt werden kann. Erweitert wird dieses Spektrum durch Ausstellungskataloge, wissenschaftliche Publikationen zu Fluchtthemen und Geschichtsworkshops. Greifbar wird das Konzept, bei der Infoveranstaltung, als die Vortragende die Geschichte zu einer Zugfahrkarte von 1992 aus Privatbesitz erzählt, die eine von Flucht durchzogene Liebesgeschichte belegt.
Abgerundet wird die Vortragsreihe von Michelle Olley durch einen Eindruck von der AR- und VR-Agentur Kallisti mit ihrem Projekt Illuminatus Trilogy. Mittels Beamerprojektion können die VeranstaltungsteilnehmerInnen einen Ausschnitt aus dem Videospiel mitverfolgen und erleben, welche Möglichkeiten der menschlichen In-teraktion in einer virtuellen Welt bereits heute existieren.

Nach der Mittagspause gibt es für die Anwesenden die Option, unter der Leitung von Lisa Baxter am Workshop Designing Public Value with Purpose teilzunehmen. Step by step wird die Gruppe angeleitet, um sich in die Wertschöpfung bei Publika einzudenken – beginnend beim grundlegenden Verständnis für die Auswirkungen verschiedenster Faktoren, Ereignisse und Handlungen auf die Gefühlswelt von Menschen bis hin zur Umsetzung von vermuteten Werten eines Publikums in konkrete Handlungsmaßnahmen für die eigene Institution. Hiermit findet die Veranstaltung zu ihrem Abschluss.

Foto: Christina Rittmannsperger

Und die Quintessenz aus der Veranstaltung? Es ist alles andere als einfach, sich in BesucherInnen – und schon gar nicht in sogenannte Nicht-BesucherInnen – hineinzuversetzen. Es erfordert mindestens ein hohes Maß an Perspektiven, Empathie, Autorität und Authentizität, um für ein Publikum einen Wert zu schaffen, den dieses auch erkennt. Aber mit viel Sensibilität und tiefschichtigem Analysieren kann es gelingen, maßgeschneiderte Publikumsgaranten zu entwickeln.

Sie interessieren sich für Audience Development und wollen weiter in die Thematik einsteigen? Dann ist möglicherweise das Seminar Audience Development am Institut für Kulturkonzepte das Richtige für Sie. Darin werden Chancen und Grenzen ausgelotet und Sie erhalten anregende Beispiele, wie Barrieren der kulturellen Teilhabe überwunden werden können. Der nächste Termin ist vom 8.-9. November 2019.

Im Februar 2019 hat sich das Institut für Kulturkonzepte ebenfalls bei einer Veranstaltung mit dem Thema Audience Development beschäftigt. Lesen Sie hier den Rückblick auf den Round Table Personalentwicklung #1 2019.

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Kategorie: Das Wissen vieler – Veronica Kaup-Hasler über Publikum, Team und die Kunstblase

Das Wissen vieler – Veronica Kaup-Hasler über Publikum, Team und die Kunstblase

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

Ein Beitrag von Martina Brunner

Bei den Themen Personal- und Publikumsentwicklung ist es wichtig, am Puls der Zeit zu bleiben und in die Zukunft zu blicken – zu wissen, was MitarbeiterInnen benötigen, um die dahinterstehende Mission der Institution voranzutreiben. Diese Mission kann nur wirken, wenn die Institution gut und professionell organisiert wird. Gleichzeitig muss die Qualität von Management und Organisation der künstlerischen Qualität entsprechen.

Beim Round Table Personalentwicklung, der am 7. Juni 2018 im Volkskundemuseum Wien stattgefunden hat, hat sich das Institut für Kulturkonzepte gemeinsam mit Führungskräften im Kulturbereich diesen Themen gewidmet. Zu Gast war Veronica Kaup-Hasler, ehemalige Intendantin des steirischen herbstes und aktuell Wiener Kulturstadträtin. Mit ihr haben wir über die Veränderungen und Entwicklungen im Kulturbetrieb aus ihrer persönlichen Sicht gesprochen – und über mögliche Lösungswege, gemeinsam die Kunstblase perforieren zu können. Für Sie haben wir den Abend hier kurz zusammengefasst:

Was sind Modelle und Zugänge für Teamentwicklung? Wie hast du das Team vom steirischen herbst entwickelt?

Veronica Kaup-Hasler: Zu meiner Anfangszeit fand ich ein Team vor, das bereits auf eine bestimmte Art gearbeitet hat. Was ich gemacht habe war, mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter zweimal eine Stunde zu reden, um ein MitarbeiterInnen-Mapping zu erstellen. One-to-one eine Gesprächssituation herbeizuführen, um herauszufinden, wer das Gegenüber ist, was bereits geleistet wurde und welche Perspektive diese Person auf das Team und die Organisation hat. Danach war es möglich auszuloten, wo es Schwachstellen, nicht gelebte Wünsche, Entwicklungspotenziale und längst erwartete Veränderungen gibt. Durch das Fragen, das Sprechen, die gemeinsamen Hinweise, hat sich langsam ein neues Team entwickeln und herauskristallisieren können.

Wichtig war für mich, auch Aufgaben an MitarbeiterInnen delegieren zu können. Dafür habe ich ihnen eine Carte blanche ausgestellt, um ihnen maximale Freiheit in ihren Entscheidungen zu ermöglichen. Das hat großen Ehrgeiz und viel Positives für die Organisation bewirkt. Natürlich habe ich den großen Rahmen, die dicken Linien und auch starke inhaltliche Vorgaben gegeben, aber innerhalb dessen waren die MitarbeiterInnen frei.

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

Zum Thema Teamentwicklung und Audience Development – was habt ihr beim steirischen herbst unternommen, um Menschen zu erreichen, die sich nicht als experimentierfreudiges Kunstpublikum sehen? Wie hängt das mit der Haltung des Teams und dessen Entwicklung zusammen?

Veronica Kaup-Hasler: Das Problem ist, dass wir manchmal eine gewisse Arroganz gegenüber einem anderen Publikum haben. Wir glauben, dass zeitgenössische Musik nur jemanden erreicht, bei dem bereits Vorbildung dafür besteht. Der steirische herbst zeigt herausfordernde Kunstformen, die permanent dazu bewegen, neue Strategien zu entwickeln und ein neues Publikum zu erreichen. Ich habe versucht, die Kunstvermittlung und den Handlungsspielraum dafür durch privates Sponsoring zu erweitern. Wir müssen uns in die Bevölkerung hineinversetzen, um Konstellationen zu schaffen, die interessant für die Menschen sind. Das kann nicht nur in Konzertsälen passieren, wo die Schwelle zu groß ist. In diesen Bereichen mit Einnahmen zu rechnen, halte ich für falsch, auch wenn es allgemein anders gehandhabt wird, denn wir haben einen Bildungsauftrag. Leider findet zu wenig Konfrontation statt und wir müssen in Zukunft erfindungsreicher sein, um Menschen abzuholen. Und sie sind abholbar.

Wie hat sich die BesucherInnen-Struktur beim steirischen herbst über die Jahre geändert? Konnte man ermitteln ob es eine Stammkundschaft gibt?

Veronica Kaup-Hasler: Generell kann ich sagen, dass für einen Publikumswechsel nie Interesse bestand, weil man alle erreichen und mitnehmen wollte – der Hauptkern war allerdings immer zwischen 25 und 45 Jahren. Das Publikum, das mit der vorherigen Intendanz sehr stark verbunden war, ist kurz weggebrochen. Teile davon sind aber immer wiedergekommen. Besonders schön war es zu merken, dass am Anfang meiner Intendanz, das Publikum sehr jung war und mit mir etwas älter geworden ist. In dieser Hinsicht ist anzunehmen, dass sich tatsächlich eine Stammkundschaft entwickelt hat.

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

Wann ist das Verhältnis zu seinen MitarbeiterInnen in flachen Hierarchien zu nahe? Wieviel von dem, das hinter den Kulissen passiert, gibt man preis, um bei heiklen Situationen das Team nicht zu belasten?

Veronica Kaup-Hasler: Das ist wirklich schwierig. Es ist ein ständiges Ausbalancieren, wann es diese große Nähe braucht und dann auch wieder Abstand. Man justiert permanent. Ich denke, die große Erschöpfung als Führungskraft sollte man auch in harten Zeiten nicht zeigen, denn ansonsten bricht alles auseinander, da die Energie der MitarbeiterInnen so verloren geht. Wichtig ist, schlechte Nachrichten mit Lösungen zu verbinden.

Hat die Weiterentwicklung des Teams „learning on the job“ stattgefunden oder gab es individuelle Personalentwicklungsmaßnahmen?

Veronica Kaup-Hasler: Wir hatten zwei Phasen durch den Wechsel der kaufmännischen Leitung, in denen es notwendig war, mehr Vertrauen zu bekommen. Die frühere und jetzige Leitung hatte unterschiedliche kommunikatorische Fähigkeiten und agierte sehr verschieden. Es gab zwei Situationen, in denen ich eine Mediatorin herangezogen habe, um die Schnittstellenproblematik klar aufzuzeigen. Sehr oft konnte ich selbst Konfliktsituationen innerhalb des Teams lösen. Aber ich erinnere mich an Spannungsmomente, wo es eben nicht Sinnt macht, wenn man sich als Chefin einmischt. Ich habe regelmäßig dazu angeregt, gemeinsam als Team etwas zu unternehmen sowie Teammediationen zu organisieren, wenn ich es für notwendig hielt

Ein herzliches Dankeschön an Veronica Kaup-Hasler und die TeilnehmerInnen vieler Kultureinrichtungen für die inspirierende Gesprächsrunde sowie Matthias Beitl und dem Team des Volkskundemuseums Wien für die Gastfreundschaft. Fotos: Corinna Eigner

 

 

 

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

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