Newsletter Anmeldung
Menü
Kategorie: Diskurse leiten, führen & moderieren – Kulturvermittlung aktuell

Diskurse leiten, führen & moderieren – Kulturvermittlung aktuell

Ein Beitrag von Martina Brunner in Kooperation mit Kulturmanagement Network

 

Wie gestaltet sich das Berufsbild KulturvermittlerIn und welche Karrieremöglichkeiten ergeben sich in diesem Bereich? Zwei Frauen, die seit vielen Jahren in diesem Feld arbeiten, geben uns Auskunft darüber. Andrea Zsutty ist Leiterin der Abteilung für Kunstvermittlung im Bank Austria Kunstforum und Leiterin des Lehrgangs Kulturvermittlung am Institut für Kulturkonzepte. Wencke Maderbacher war 15 Jahre im Technischen Museum Wien in der Kulturvermittlung tätig und ist seit 2015 National Correspondent für ICOM CECA, dem Kulturvermittlungskomitee von ICOM – International Council of Museums.

 

Wie gestaltet sich das Berufsbild von KulturvermittlerInnen?

Wencke Maderbacher: Das Berufsbild kommt beim Selbstverständnis der KulturvermittlerInnen und der Abteilung zu Tragen. KulturvermittlerInnen gestalten eigenständig das Programm zu den aktuellen Themen und Inhalten des Hauses. Dazu gehören etwa Ausstellungen, Publikationen oder Veranstaltungsreihen. So ist die Kulturvermittlung eine tragende Säule dabei, sich aktiv in die Programmgestaltung einzubringen und eigene Formate und Projekte umzusetzen. Wichtig dabei ist, die Inhalte einer Institution zu „übersetzen“ und in einen aktuellen gesellschaftlichen Dialog transferieren zu können. Im Mittelpunkt des Berufsbildes steht daher immer die Frage: Was haben die Inhalte und Themen der Kulturinstitution mit dem hier und jetzt zu tun?

 

Foto: Registrarinnen, Ausstellung Liebe in Zeiten der Revolution © Natalie Würnitzer

Was lernen angehende KulturvermittlerInnen in ihrer Ausbildung? 

Andrea Zsutty: Grundvoraussetzung ist, dass KulturvermittlerInnen ein eigenständiges Interesse an der Auseinandersetzung mit Menschen zu Themen der Kulturproduktion mitbringen. Im Lehrgang Kulturvermittlung am Institut für Kulturkonzepte wird beispielsweise versucht, sich gemeinsam der Frage nach dem „Wie?“ anzunähern. Diese Frage ist jedoch nicht eindeutig zu beantworten, da jede/r selbst zu einer individuellen Haltung der Vermittlung finden muss. Dieser Prozess wird in den Seminaren des Lehrgangs angeleitet. Unterstützt durch die praktische Anwendung von Vermittlungstätigkeiten und einer theoretischen Auseinandersetzung mit Diskursen und Themen des Berufsfeldes. Das Aus- und Weiterbildungsangebot kann hierbei unterstützend, vernetzend und Horizont erweiternd wirken. So werden Kompetenzen erworben, um Bedürfnisse, Interessen und Erwartungen des Publikums zu orten und Inhalte dementsprechend zu generieren, darzustellen und gemeinsam zu verhandeln. KulturvermittlerInnen sollten nach Absolvierung des Lehrgangs in der Lage sein, aus einem multiperspektivischen Ansatz heraus Diskurse anzuleiten, zu führen und zu moderieren. Das Ergebnis ist ein selbstgewähltes Vermittlungsprojekt, das soweit konzipiert, durchdacht und geplant wurde, um es im nächsten Schritt zur Durchführung zu bringen.

 

Welche Kriterien müssen KulturvermittlerInnen nach ihrer Ausbildung erfüllen, um im Berufsfeld Fuß zu fassen?

Wencke Maderbacher: Fuß fassen in der Kulturvermittlung hängt sicher von der angestrebten Institution ab – die eigenen Kompetenzen sollten immer mit dem Vermittlungsangebot der Institution und deren Zielgruppe abgeglichen werden. Im besten Fall bringt man diesbezüglich Vorerfahrung mit. Für eine Kulturinstitution mit hohem Tourismusanteil werden beispielsweise KulturvermittlerInnen mit einem sehr guten Fremdsprachenrepertoire benötigt. Bei einer Kultureinrichtung, die eng mit Schulen, Kindergärten und Jugendvereinen zusammenarbeitet, muss ich tendenziell andere Kriterien vorweisen – wie etwa eine pädagogische Ausbildung und Erfahrung mit Kindergruppen.

 

Aus Selbstschutz empfehle ich, vor allem bei den Verträgen genau hinzuschauen. Bei vielen freien Dienstverträgen/Werkverträgen/geringfügigen Anstellungen verstecken sich unzählige unbezahlte Vor- & Nachbereitungsstunden in der Freizeit. Kulturinstitutionen, die Vermittlungsabteilung und die VermittlerInnen selbst profitieren von einem stabilen Setting, planbaren Ressourcen und MitarbeiterInnen-Entwicklung. Diese Qualität nimmt das Publikum der Vermittlungsprogramme wahr.

Kulturvermittlung aktuell
Foto: Tirpitz Museum | © Mike Bink

Wie gestaltet sich dein Arbeitsalltag? 

Andrea Zsutty: Als Leiterin der Abteilung für Kunstvermittlung im Bank Austria Kunstforum Wien habe ich die Aufgabe, alle Vermittlungsprogramme und Aktivitäten zur Kommunikation mit dem Publikum zu den jeweiligen Ausstellungsthemen zu konzipieren. Ich tue das als Selbständige gemeinsam mit einem Team von KunstvermittlerInnen. Entsprechend ihrer Expertisen und Interessen können sich die KunstvermittlerInnen dabei nach eigenem Ermessen einbringen: Sei es in der Konzeption von Schulprogrammen oder Outreach-Programmen, als AutorInnen für den Multimediaguide oder in der Ausarbeitung von Spezialthemen. Diese intensiven Konzept- bzw. Textarbeiten erfolgen in der Regel zwei bis drei Monate vor Eröffnung einer neuen Ausstellung. Im laufenden Betrieb gibt es regelmäßige Treffen, wo die Konzepte nachbearbeitet oder verändert werden und die Termine für die gebuchten Vermittlungsprogramme vergeben werden. Einen Großteil meiner Arbeitszeit nimmt die Kommunikation mit dem Vermittlungsteam, den unterschiedlichen internen PartnerInnen (Office, Event, Social Media, BesucherInnenmanagement, KuratorInnen, Direktion, Buchhaltung) der Institution und externen PartnerInnen (KooperationspartnerInnen, MultiplikatorInnen, Presse) ein. Kurz gesagt besteht mein Arbeitsalltag mehrheitlich aus Organisation, Leadership und Kommunikation. Der kreative Teil, die Ideenfindung und die Konzeption von Vermittlungsprogrammen, ist jedoch das Herzstück und der Motor meiner Tätigkeit. Durch meine Lehrtätigkeit bin ich außerdem gefordert, stets am aktuellen Stand theoretischer Diskurse zu sein und zu wissen, welche praxisrelevanten Fragen in der KollegInnenschaft verhandelt werden.

 

Wencke Maderbacher: Ich arbeite an der dänischen Westküste im Tirpitz Museum, das Teil der Vardemuseen ist. Wir haben hier einen sehr modernen Arbeitsstil und jede/r MitarbeiterIn bringt sich mit ihren/seinen Kompetenzen dort ein, wo sie/er gerade gebraucht wird. Ich verbringe meinen Tag mit vielen Führungen auf dänisch, englisch und deutsch und erledige die Übersetzungsarbeit für die gesamten Vardemuseen, sowie die BesucherInnenbetreuung und Organisation diverser Veranstaltungen. Ehrenamtlich bin ich ICOM CECA Austria National Correspondent und setze mich hier vor allem für ordentliche Rahmenbedingungen der KulturvermittlerInnen ein. Deshalb war auch die Eingrenzung des Berufsbildes für die Kulturvermittlung ein wichtiger Meilenstein, um eine Basis für ein aktuelles Selbstbild und eine Verhandlungsbasis für KulturvermittlerInnen aufzustellen. Die österreichischen Entwicklungen tausche ich regelmäßig über das internationale ICOM Netzwerk aus. Hier können wir wirklich stolz auf uns sein – ICOM CECA Austria ist eine der aktivsten CECA Gruppen, wenn es um die Unterstützung der Interessen von KulturvermittlerInnen geht. Weil mir Arbeitsverhältnisse – vor allem die Förderung von KulturvermittlerInnen in den unterschiedlichen Institutionen – ein besonderes Anliegen sind, studiere ich an der Donau Universität Krems Personalmanagement. Dort ist mein Ziel, noch bessere Rahmenbedingungen, Kompetenzentwicklungsmöglichkeiten und Strukturen für MitarbeiterInnen in der Kultur entwickeln zu können.

Kulturvermittlung aktuell
Foto: Tirpitz Museum | © Mike Bink

Welchen Unterschied erkennst du in Bezug auf die Kulturvermittlung zwischen Österreich und Dänemark

Wencke Maderbacher: Viele dänische Museen und Kultureinrichtungen sind in ihrer Ausrichtung nah an den Interessen des Publikums – ganz unter dem Motto: „BesucherInnen im Zentrum“. Das sagen natürlich auch viele österreichische Institutionen von sich. Doch in Dänemark sind beispielsweise Spaß und Neugierde genauso wichtige Elemente, wie Information. Mit diesem Effekt erreichen sie tatsächlich die Bevölkerung und decken viele verschiedene Interessen ab. In Dänemark gehen die Menschen vielmehr zum Zeitvertreib und zur Unterhaltung ins Museum um nicht nur vordergründig etwas zu lernen. Denn dort kann man beeindruckende digitale Vermittlungsideen erleben – beispielsweise interaktive Videos der KuratorInnen, die mit den ausgestellten Objekten interagieren. Ich persönlich kann auf jeden Fall eine Inspirationsreise in die dänischen Museen empfehlen. Von diesem lockereren, humoristischen Umgang mit dem Publikum habe ich viel dazugelernt und ich genieße die angenehme Atmosphäre der Wissensvermittlung. Eine Gemeinsamkeit zwischen Österreich und Dänemark lässt sich jedenfalls bei der Umsetzung feststellen, da wirklich immer aus der BesucherInnen-Sicht gedacht wird.

 

Wieso wird der Beruf wichtiger und welche Trends ergeben sich mit Blick in die Zukunft? 

Andrea Zsutty: Die Kulturvermittlung ist heute beinahe in allen Kulturinstitutionen ein wichtiger Bestandteil der Publikums- und Kommunikationsarbeit. KulturvermittlerInnen kennen die Bedürfnisse, Interessen und Erwartungen des Publikums und verfügen daher über das Wissen und die Befähigung, Kommunikationsangebote zu planen und durchzuführen. Kulturangebote brauchen professionelle Vermittlungsarbeit, um mit dem Publikum in Kontakt zu treten. Je nach Ausrichtung der Institution und dem Handlungsspielraum der Vermittlung kann durch Kulturvermittlungsangebote eine breite Öffentlichkeit erreicht werden. Eine wesentliche Aufgabe dabei ist es, Kulturinstitutionen als sozialen Ort nutzbar und erfahrbar zu machen. Wie in so vielen Bereichen sind auch in der Kulturvermittlung vielfältige Expertisen gefragt, die in Kulturbetrieben zur Umsetzung gelangen können: Kompetenzen in Bezug auf Sprachsensibilität, kulturelle Diversität, Gender, Inklusionsfragen und künstlerische Strategien. Themen, die uns aktuell und auch zukünftig beschäftigen, sind die Migrationsgesellschaft, neue soziale Kontexte und Kulturvermittlung im digitalen Zeitalter. Je spezifischer die Qualifikation ist, die InteressentInnen am Berufsfeld Kulturvermittlung mitbringen, desto höher ist die Chance, eine Nische zu besetzen und sich als ExpertIn in ein Projekt bzw. in eine Institution einbringen zu können.

 

 

Sie interessieren sich für eine Aus- oder Weiterbildung zu Kulturvermittlung? Am Institut für Kulturkonzepte können Sie sich jederzeit für den Lehrgang Kulturvermittlung bewerben. Unsere zweitägigen Seminare zu Kulturvermittlung können Sie auch einzeln besuchen. Das sind die nächsten Termine:

Melden Sie sich bei Interesse rasch an – die Seminarplätze sind begrenzt!

 

Wencke Maderbacher
Foto: Verena Wieser

Wencke Maderbacher

ist Kulturmanagerin aus Wien und seit 2017 in Tirpitz an der dänischen Westküste aktiv. 15 Jahre lang war sie im Technischen Museum Wien in der Kulturvermittlung tätig, seit 2015 ist sie National Correspondent für ICOM CECA, dem Kulturvermittlungskomitee von ICOM. Ihr Arbeitsschwerpunkt in der Kulturvermittlung und Museumsberatung kreist um Organisation und Umsetzung. Ziel ist dabei, die besten Rahmenbedingungen zu schaffen, um die Interessen von Publikum, Team und Institution perfekt miteinander zu verbinden und kreatives Schaffen zu gewährleisten. Der Blick über den Tellerrand, regional, national und international ist für sie dabei ein inspirierender Funke für neue Konzepte und Ideen.

Andrea Zsutty Kulturkonzepte
Foto: Archiv

Andrea Zsutty

ist Kunsthistorikerin und widmet sich seit 1996 der Kunstvermittlung. Im Bank Austria Kunstforum leitet sie die Abteilung für Kunstvermittlung, im Institut für Kulturkonzepte ist sie Lehrgangsleiterin für Kulturvermittlung, wo sie auch seit vielen Jahren unterrichtet. Als selbständige Kunst- und Kulturvermittlerin war sie in verschiedenen Ausstellungshäusern und Museen tätig, wie dem Palais Harrach, der Generali Foundation, dem Kunsthaus Köflach sowie dem KUNSTHAUSSUDHAUS Villach. Außerdem ist sie Redakteurin für diverse ORF TV-Formate.

Kulturvermittlung aktuell
Foto: Tirpitz Museum | © Mike Bink

Gefällt mir: