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Kategorie: PHOBIA – Fotokunstprojekt 2019/20 – Teil II

PHOBIA – Fotokunstprojekt 2019/20 – Teil II

Ein Beitrag von Itta Francesca Ivellio-Vellin

Im ersten Teil unseres Interviews mit den Künstlerinnen des Fotobuchprojekts PHOBIA, Sabrina Wegerer, Melanie Asböck, Anna Niederleitner und Ronja-Elina Kappl, haben wir spannende Details über das Team, die Themenfindung und den Entstehungsprozess des Projekts erfahren.

In diesem Beitrag können Sie mehr über die Hintergründe des Projekts und die fotografierten Menschen lesen:

Was kennzeichnet eine Phobie? Gibt es einen Unterschied zwischen Phobie und Angst(störung)?

SABRINA: Wir haben für das Projekt mit Dr. Alfons Hamm, ein Experte auf dem Gebiet der spezifischen Phobien, zusammengearbeitet. Er hat uns das Thema aus medizinischer Sicht nähergebracht. Als Phobie bezeichnet man eine äußerst intensive Furchtreaktion, welche durch einen spezifischen Reiz – zum Beispiel ein Objekt oder eine Situation – ausgelöst wird. Dabei wird die Furchtreaktion von dem zwingenden Wunsch begleitet, diesen Reiz zu vermeiden. Phobien sind in ihren Ausprägungen sehr unterschiedlich und reichen von normalisierten Ängsten bis hin zu pathologischen Phobien. Die Auswirkungen können gravierend für die betroffenen Menschen sein und mit starken Einschränkungen im Alltag einhergehen. Eine Phobie ist – neben generalisierten Angststörungen, Panikstörungen, Zwangsstörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen – eine Art von Angststörung.

Elektronenmikroskopie
Foto: Sabrina Wegerer

Welche Phobien behandelt ihr in eurem Projekt?

SABRINA: Der Fokus wurde in diesem Projekt auf atypische spezifische Phobien gelegt, die sich auf Strukturen, Materialien und Objekte beziehen. Es haben sich zwar sehr viele interessierte Personen, die von verschiedenen Phobien betroffen sind, bei uns für eine Zusammenarbeit gemeldet, durch unseren gesetzten Fokus mussten wir jedoch eine enge Auswahl treffen. Schlussendlich haben wir mit Menschen zusammengearbeitet, die Angst bzw. starke Aversion gegenüber Watte, Metall, Textil, Gummi, Statuen, Lochstrukturen, Luftballonen und Etiketten verspüren.

Wie habt ihr betroffene Menschen für euer Projekt gefunden?

MELANIE: In erster Linie haben wir mit vielen Menschen in unserem privaten Umfeld über das Projekt gesprochen. Das war schon sehr spannend, wie viele Geschichten da zum Vorschein kamen. Oft konnten wir dadurch Kontakte zu betroffenen Personen knüpfen. Zum anderen haben wir einen Aufruf in sozialen Medien gestartet, auf den auch viel positives Feedback folgte.

SABRINA:  Außerdem haben wir Selbsthilfe-Gruppen schriftlich kontaktiert sowie Flyer ausgedruckt und in der Graphischen wie auch an einigen öffentlichen Plätzen aufgelegt.

Phobia Luftballon
Foto: Ronja-Elina Kappl
Phobia Luftballon
Foto: Ronja-Elina Kappl

Was war deren Grund, beim Projekt mitzumachen?

MELANIE: Die Gründe zur Teilnahme waren sehr verschieden. Ich denke, es war für viele eine besondere und vielleicht auch seltene Möglichkeit über ihre persönlichen Geschichten zu berichten und dabei ernst genommen zu werden. Bei manchen war die Motivation auch einfach, uns als Team beim Projekt zu unterstützen. Generell sind wir allen Personen, die bereit waren, ein so persönliches Thema offen mit uns zu teilen, sehr dankbar – das kann man eigentlich nicht oft genug sagen.

Habt ihr gezielt nach Menschen mit bestimmten Phobien gesucht?

SABRINA: Da wir uns vor allem gestalterisch mit Phobien auseinandersetzen wollten, haben wir uns von Anfang an auf spezifische konzentriert, wie etwa die Phobie vor Strukturen, Materialien und Objekten. Bei unserer Suche nach betroffenen Menschen haben wir daher konkret danach gesucht. Gemeldet haben sich aber auch viele mit Phobien, die nicht in das Konzept gepasst haben, denen wir leider absagen mussten. Uns wurde im Gespräch mit Dr. Hamm bewusst, dass diese atypischen Phobien aus medizinischer Sicht meist keine klassisch kategorisierten Phobien sind, sondern stark ausgeprägte Aversionen gekoppelt mit konkretem Furchtempfinden. Alltagssprachlich wird in diesen Fällen trotzdem auch von Phobien geredet. Es war uns aber wichtig, auf diese Tatsache hinzuweisen, was wir in einem eigenen Info-Heft, das fixer Bestandteil des Fotobuchs ist, tun.

Phobia Textil
Foto: Ronja-Elina Kappl

Manche Personen sind auf den Fotos nicht zu erkennen, Gesichter sind verdeckt oder verschwommen. Einige sind genau zu erkennen. Warum?

RONJA: Jeder Mensch leidet in unterschiedlichen Ausmaßen an Phobien, doch wenige sprechen gerne darüber oder konfrontieren sich freiwillig damit. Für uns Fotografinnen war es daher wichtig, während des Interviews einen Draht zu den individuellen Personen aufzubauen und in Folge dessen ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie sich am wohlsten vor der Kamera fühlen. So entstanden die unterschiedlichen Strecken. Beim Auswählen der Bilder war es interessant, ganz genau auf die Körper- und Bildsprache zu achten und so jene Fotos zu wählen, die das Thema perfekt unterstützen.

ANNA: Es war von Person zu Person sehr unterschiedlich. Manche fühlten sich deutlich wohler vor der Kamera als andere. Da wir mit den reduzierten Studioportraits begannen, war es für uns im Anschluss umso wichtiger, in den Streckenfotos Abwechslung reinzubringen und diverse Facetten der jeweiligen Personen zu zeigen. Auch gab es eine Person, die aus persönlichen Gründen unbekannt bleiben wollte.

Fotoshooting
Foto: Ronja-Elina Kappl | Hinter den Kulissen
Phobia Lochstrukturen
Foto: Anna Niederleitner

Wie habt ihr die Orte für die Fotoserien gewählt?

RONJA: Bei der Wahl der Locations ging es in erster Linie darum, die Vielfalt von spezifischen Phobien und den betroffenen Personen zu unterstreichen. Um am Ende stimmige Einzelhefte zu erhalten haben wir, sowohl für die Fotostrecken mit den Personen, als auch mit den Objekten, im Vorhinein Konzepte ausgearbeitet. So konnten wir unterschiedlichste Kombinationen aus Bildsprachen, Farben und Formen schaffen.

ANNA: Ich war bereits vor den Shootings an Ort und Stelle, um mir ein Bild von der jeweiligen Location zu machen. Manche hatte ich zuvor schon fotografiert oder mir als geeignet notiert. Oft waren es kleine Details, Schatten- oder Lichtsituationen, die mich überzeugten.

Luftballonbuchstabe
Foto: Ronja-Elina Kappl | behind the scenes

Sind die Objektfotografien alle im Studio entstanden?

SABRINA: Nein. Das waren hauptsächlich improvisierte Experimente in meinem Wohnzimmer. Das Luftballon »L« entstand im Studio an der Graphischen. Dabei holte ich mir Hilfe von Ronja, weil ich mich ohne professionelle Fotografiekenntnisse nicht über die Transparenz des PVC-Materials traute.

Wo kann man das Projekt noch sehen? Was waren bisherige Reaktionen?

SABRINA: Durch den hohen Produktionsaufwand konnten wir auf dem Fotobuch nur eine Auflage von 15 Stück produzieren. Öffentlich liegt leider keines davon auf, denn sie sind alle in den Händen von Print-LiebhaberInnen gelandet. Was uns sehr freut, und worüber wir auch sehr dankbar sind, dass es so viel Interesse an dem Projekt gibt. Einblicke in das Fotobuch kann man auf Instagram unter @projektphobia sehen. Dort sind auch unsere Portfolio-Profile verlinkt.

Die vielen positiven Reaktionen freuen uns natürlich sehr. Wir haben den Personen, die mit uns über ihre Ängste gesprochen haben, jeweils das Heft mit „ihrer Phobie“ als Dankeschön geschenkt. Daraufhin bekamen wir die Rückmeldung, dass sie aufgrund ihrer Angststörung bei einigen Seiten schnell weiterblättern mussten, weil sie sich bestimmte Fotos oder Inhalte nicht anschauen konnten – da hat unsere Übersetzungsarbeit anscheinend geklappt!

Gummiringe
Foto: Anna Niederleitner

Was sind eure Pläne nach eurem Abschluss an der Graphischen?

MELANIE: Ich habe schon vor längerem gemerkt, dass mir das Arbeiten an umfangreichen Projekten und kreativen Konzeptideen großen Spaß macht. Dieses Jahr bin ich in der „Jung von Matt-Academy“ und möchte danach auch weiter als Kreativ-Konzepterin in der Agentur arbeiten.

RONJA: Nach dem Abschluss an der Graphischen bin ich nach Berlin gezogen, um als Junior Producer bei der Fotoagentur Freda+Woolf zu arbeiten. Dieser aktuelle Lebensabschnitt birgt viele neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Ich weiß noch nicht, wo es mich hinbringen wird, aber ich bin bereit, es herauszufinden.

ANNA: Ich persönlich möchte mich in dem weiterentwickeln, was ich gerne mache und das ist das Fotografieren. Dass das bereits zu meinem Beruf geworden ist, ist sehr erfreulich. Es gibt viele Ziele, die ich mir gesetzt habe und in Zukunft verfolgen werde.

SABRINA: Ich arbeitete direkt nach der Graphischen für einige Monate in einem Grafik Studio in Wien, um praktische Erfahrungen sammeln zu können. Vor der Graphischen habe ich an der Uni Wien studiert, jedoch vor dem Abschluss des Studiums noch das Grafik-Kolleg eingeschoben. Dieses Jahr steht die Master-Arbeit und der Abschluss meines Studiums auf Platz 1 meiner To-do-Liste. Nebenbei plane ich auch endlich eigene Projekte zu realisieren für die ich jetzt lange keine Zeit hatte – vor allem wieder mehr handwerklich arbeiten und neue Materialien entdecken.

 

An dieser Stelle bedankt sich das Institut für Kulturkonzepte für die gemeinsame Kooperation mit der Graphischen Wien, im Besonderen für die nette Zusammenarbeit mit Bettina Letz, Ulrich Eigner und Peter Bauer. Den vier Künstlerinnen des Projekts PHOBIA wünschen wir viel Spaß bei der Sommerakademie 2019 und viel Erfolg bei allen zukünftigen Projekten und dem weiteren Karriereweg!

Zum Teil I des Interviews zum Projekt PHOBIA 

Luftballons
Foto: Ronja-Elina Kappl
Kategorie: PHOBIA – Fotokunstprojekt 2019/20 – Teil I

PHOBIA – Fotokunstprojekt 2019/20 – Teil I

Ein Beitrag von Itta Francesca Ivellio-Vellin

Seit 2016 findet jährlich ein Fotowettbewerb im Rahmen einer Kooperation zwischen dem Institut für Kulturkonzepte und der Graphischen Wien statt. Auch in diesem Jahr haben wir uns Unterstützung bei der Auswahl des SiegerInnen-Projekts geholt: Die Jury bestand aus Larissa Cerny (Grafikerin), Edda Thürriedl  (Kommunikation & Digitales, Belvedere), Corinna Eigner (Kommunikation bei Kulturkonzepte) und Itta Francesca Ivellio-Vellin (Kommunikationsassistenz bei Kulturkonzepte). In beratender Funktion war auch Bettina Letz (Lehrende an der Graphischen Wien) dabei.

Das Siegerinnen-Projekt heißt PHOBIA:

»Phobia – Über Ekel, Angst & Furcht« setzt sich grafisch sowie fotografisch mit Angststörungen auseinander, die sich in übertriebenem Maße gegen eigentlich ungefährliche Objekte richten und mit ausgeprägtem Vermeiden und intensiver Körperreaktion bei Konfrontation einhergehen. Der Fokus wurde auf atypische spezifische Phobien gelegt, die sich auf Strukturen, Materialien und Objekte beziehen. Diese wurden fotografiert, mittels Elektronenmikroskopie untersucht, zu Typo-Objekten geformt und in handgemachte Alphabete verarbeitet, welche wiederum als Vorlage für die Entwicklung von acht phobischen Schriften dienten. Entstanden sind neun Einzelhefte, welche als Sammelband zusammengefasst wurden. Neben einem allgemeinen Heft über Phobien, widmen sich die anderen acht jeweils einer spezifischen Phobie und einer davon betroffenen Person.

Das Projekt-Team besteht aus den Künstlerinnen Sabrina Wegerer, Melanie Asböck, Anna Niederleitner und Ronja-Elina Kappl. Alle vier sind Absolventinnen des Kollegs der Graphischen Wien. Die Fotos dieses Projekts werden auf unseren aktuell frisch gedrucken Foldern zum Lehrgang Kulturmanagement und zum Lehrgang Kulturvermittlung zu bewundern sein. Zu gewinnen gab es für das Team außerdem Plätze in unserer diesjährigen Sommerakademie für Kulturmanagement!

In einem zweiteiligen Interview erfahrt ihr, was hinter den Fotografien des Projekts PHOBIA steckt und warum die Künstlerinnen die Themen „Ekel, Angst und Furcht“ so faszinieren und welche Erfahrungen sie mit der Team- und Projektarbeit gemacht haben.

Ekel
Foto: Ronja-Elina Kappl

Warum habt ihr euch entschieden, Phobien und Ängste zu thematisieren?

SABRINA: Die erste Idee zu dem Projekt stammt ursprünglich aus einer reinen Wortspielerei, die ich mir spontan in mein Notizbuch geschrieben habe. Das war als ich vor drei Jahren in Berlin lebte und mich aus persönlichem Interesse mit Trypophobie (starke Aversion gegenüber Lochstrukturen) intensiv beschäftigte. Ich habe mir »Typographie + Trypophobie = Typophobie« notiert und gedacht, dass es spannend wäre, phobische Schriftkonzepte zu entwerfen. Bei dieser Idee blieb es vorerst – bis die Diplomarbeit auf der Graphischen näher rückte und ich beim Überlegen über mögliche Themen wieder mein altes Notizbuch hervorkramte. Die Thematik hat mich damals persönlich immer noch sehr beschäftig und es zeigte sich in Gesprächen mit anderen Menschen, dass es so viele spannende und ganz atypische Geschichten und Zugänge dazu gibt. Da sah ich die Diplomarbeit als Chance, diesen Geschichten eine Plattform zu geben und meine ursprüngliche Idee, eine phobische Schrift zu entwickeln, endlich zu verwirklichen.

Wie hast du dein Projektteam gefunden?

SABRINA: Auf der Graphischen ist es vorgesehen, Abschlussarbeiten im Team zu realisieren. Teams müssen aus zwei bis fünf Personen bestehen, wobei bereichsübergreifend gearbeitet werden soll. Ein Team soll zum Beispiel nicht nur aus SchülerInnen des Kollegs Grafik und Kommunikationsdesign bestehen. Da es wenige Berührungspunkte zwischen den verschiedenen Kollegs gibt, war ich anfangs unsicher, wie ich Personen finden kann, die mit mir gemeinsam zu der Thematik arbeiten möchten. Bei einer Projektwoche, an der alle Kollegklassen teilnahmen, gab es die Möglichkeit Themen vorzustellen. Da ich bereits eine relativ konkrete Idee hatte, hoffte ich, dass sich weitere Personen für mein Verständnis des Themas interessierten. Glücklicherweise waren das einige und durch persönliche Gespräche und erste Brainstormings hat sich unser finales Team formiert. Zu viert haben wir dann mein Ursprungskonzept weiterentwickelt, sodass Jede einen spannenden Zugang in ihrem jeweiligen Fachbereich dazu finden konnte.

Wie setzt sich das Team genau zusammen?

SABRINA: Das Team besteht aus zwei Grafikerinnen, Melanie und mir, sowie aus zwei Fotografinnen, Ronja und Anna. Wir haben alle unterschiedliche Arbeits- und Herangehensweisen in unseren jeweiligen Fachgebieten. Es war uns daher wichtig, für das Projekt ein solides Grundkonzept zu erarbeiten, das als roter Faden durch die Hefte, die am Ende herauskamen, getragen wird. Somit konnte Jede ihren Bereich weitgehend frei und abwechslungsreich gestalten. Trotzdem gelang es uns beim Zusammenführen des Materials ein kohärentes Projekt zu realisieren.

Lochstrukturen
Foto: Anna Niederleitner

Was ist euer Projektziel?

SABRINA: Mit dem Projekt wollen wir einerseits Betroffenen eine Plattform bieten, ihre Geschichten und Erfahrungen zu teilen. Andererseits wollen wir damit die Möglichkeit bieten, das Thema Angst aus einem gestalterischen Zugang neu erfahrbar zu machen. Spannend waren für uns vor allem die theoretische Konzeptarbeit und die anschließende praktische Übersetzungsarbeit: Wie können wir als Fotografinnen und Grafikerinnen die Geschichten, die Gefühle, die Erfahrungen der Personen durch unsere visuellen Sprachen spürbar machen? Welche Inhalte treten dadurch in den Hintergrund, welche in den Vordergrund? In diesem Prozess haben sich spannende Fragen aufgetan und es war aufregend, diese in unseren jeweiligen Bereichen zu beantworten.

Was war organisatorisch die größte Herausforderung bei eurem Projekt?

SABRINA: Das Projekt ist sehr umfangreich und lebt durch seine unterschiedlichen gestalterischen Ebenen. Das war für uns als Gestalterinnen einerseits extrem spannend, da wir in einem Projekt mit unterschiedlichen Methoden und Techniken experimentieren konnten. Andererseits fordert diese Diversität an Zugängen einen konstanten kommunikativen Austausch sowie ein solides Zeitmanagement innerhalb der Gruppe. Da das Projekt über ein Jahr lief und wir nebenbei privat wie beruflich noch mit anderen Arbeiten beschäftigt waren – und das zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Projektprozess – war es nicht immer leicht, alles unter einem Hut zu bekommen.

Buchprojekt
Foto: Sabrina Wegerer | behind the scenes

Wolltet ihr von Beginn an ein Fotobuchprojekt machen oder hat es sich so entwickelt?

SABRINA: Unser Team liebt gut gestaltete Buchprojekte – vor allem die haptische Erfahrung, die damit gekoppelt ist. Da war von Anfang an klar, dass wir die Freiheit innerhalb des Diplomprojektes nutzen wollten, um ein Druckwerk zu produzieren. Es ist kein klassisches Buch geworden, eher ein Hybrid aus Buch, Magazin und Sammelband – das hat sich aber auch schon relativ früh im Prozess herauskristallisiert.

Elektronenmikroskopie
Foto: Sabrina Wegerer | Aufnahme unter dem Elektronenmikroskop

In den Foto-Heften gibt es auch Fotografien, die ihr mit dem Elektronenikroskop aufgenommen habt. Wie kam es dazu?

SABRINA: Es war nicht von Anfang an klar, ob ich neben dem Kolleg die zeitlichen Ressourcen für die Elektronenmikroskopien aufbringen kann, bzw. ob ich die technischen Mittel dazu zu Verfügung stehen habe. Glücklicherweise hat sich am Anfang des Projekts herausgestellt, dass die Realisierung von den Elektronenmikroskopie-Aufnahmen tatsächlich möglich ist. Wie genau sie jedoch eingesetzt wurden, wurde erst später im Prozess finalisiert.

Welche Gegenstände habt ihr unter dem Mikroskop fotografiert und warum?

SABRINA: Wir wollten die behandelten atypischen spezifischen Phobien auf verschiedenen Ebenen erforschen und visuell aufarbeiten – dazu zählte auch ganz nah an die Mikrostruktur der phobischen Materialien und Objekte zu gehen. Dies wurde mir am Arbeiten mit dem Elektronenmikroskop ermöglicht. Über einen Zeitraum von ca. drei Wochen habe ich auf Basis der Interviews mit den betroffenen Personen diverse Samples der Materialien und Objekte gesammelt. Die Samples waren natürlich spezifisch auf jede Phobie abgestimmt. Für die Metall-Phobie sammelte ich so z.B. u.a. Späne von unterschiedlichen Metallen, Metallstaub und rostige Metallstücke. Für die Watte Phobie legte ich u.a. ein Wattepad, ein Stück Schnürwatte, ein Tampon und Wattestäbchen unter das Mikroskop und bei der Lochstruktur-Phobie kamen vor allem unterschiedliche Schwämme zum Einsatz. Für jede Phobie sammelte ich zwischen fünf und zehn Samples, die dann anschließend im Labor mikroskopiert und fotografiert wurden.

Elektronenmikroskopie
Fotos: Sabrina Wegerer | behind the scenes

Was waren die wichtigsten Learnings für euch, die ihr aus dem Projekt mitgenommen habt?

ANNA: Es war eine Bereicherung, dass sich die jeweiligen Personen uns gegenüber von einer sehr privaten Seite präsentiert haben und sich uns derart öffneten, um an dem Projekt mitzuwirken. Auch hat es mir gezeigt, wie wichtig die Interviews vor den Shootings waren, um mit den ProbandInnen eine Basis aufzubauen. Dadurch konnten wir deren Vertrauen gewinnen und sie fühlten sich vor der Kamera wohler.

MELANIE: Auch wenn dich der Druckermeister zu Beginn entsetzt anschaut: Es ist möglich ein Buch mit vielen verschiedenen Papiersorten umzusetzen – und es ist die Mühe wert!

RONJA: Ohne durchdachter Planung und ununterbrochener interner Kommunikation läuft im Team gar nichts.

SABRINA:  Dass ich vor allem dann in einem Projekt voll aufgehe, wenn ich konzeptuell, handwerklich und mit neuen und überraschenden Materialien oder Techniken arbeiten kann. Ich weiß noch nicht genau, wo es mich mit dieser Erkenntnis beruflich in Zukunft hinzieht, aber ich bin froh, dass ich durch das Diplomprojekt diese Seite an mir neu entdecken konnte.

Statuen
Foto: Ronja-Elina Kappl
Statuen
Foto: Ronja-Elina Kappl

Bald veröffentlichen wir den zweiten Teil des Gesprächs mit den Künstlerinnen des Projekts PHOBIA! Einstweilen können Sie hier PHOBIA auf Instagram folgen.

Hier finden Sie in der Zwischenzeit die Fotokunstprojekte und Interviews mit den GewinnerInnen der letzten Jahre. 

Frau in Busch
Foto: Ronja-Elina Kappl | Projekt Phobia
Kategorie: „I would like to look like!“ Fotografin Almira Avdyli im Gespräch – Teil 2

„I would like to look like!“ Fotografin Almira Avdyli im Gespräch – Teil 2

Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli

Ein Beitrag von Magdalena Lettner

Im ersten Teil zur Fotoserie „I would like to look like!“ konnten wir einen Blick hinter die Kulissen der Ausstellungsgestaltung, sowie der Zusammenarbeit zwischen Almira Avdyli – Absolventin der Graphischen und Gewinnerin des diesjährigen Kulturkonzepte Fotowettbewerbs – und dem Kunsthistorischen Museum Wien werfen. Im Folgenden teilt sie ihre Gedanken zur Konzeption und Thematik ihrer Fotoreihe mit uns.

Ausgangspunkt der Fotoserie „I would like to look like!“ ist der Torso eines Jünglings (1 Jh. n. Chr., nach griechischem Original um 460 v. Chr.) aus dem Kunsthistorischen Museum. Diesem altertümlichen, männlichen Schönheitsideal stellst du ein aktuell vermitteltes Frauenbild entgegen.

Was sind deine Gedanken hinter dieser Umkehrung?

Almira: Natürlich hätte ich auch einen Mann inszenieren können, aber in dieser Serie habe ich einfach den weiblichen Körper mehr gespürt. Die Entscheidung zur Inszenierung einer weiblichen Person entstand aus einem Gefühl heraus – ich bin mir aber auch der Objektivierung von Männern, zum Beispiel in Form von Fitnesswahn und Healthy- Lifestyle, bewusst.

Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli

Die Fotoreihe berührt die Themen materielle Selbstdarstellung und sexuelle Objektivierung, inwiefern spielen diese Themen in deiner Tätigkeit als Make-up Artist eine Rolle?

 Almira: Diese beiden Themen spielen eine wichtige Rolle in der Branche. Der Job ist breit gefächert, bewegt sich aber auf einer gewissen Oberfläche – besonders in den Bereichen Fernsehen, Werbung und Mode. Make- up Artist ist noch mein Brotjob, aber die Fotografie ist mein Heiligtum. Ich genieße es vor allem, in meiner Kunst kompromisslos arbeiten zu können, was in meinem Job als Make-up Artist nicht immer möglich ist.

I would like to look like!“ thematisiert das gesellschaftliche Phänomen der gegenseitigen Nachahmung in den Online-Medien. Wie nutzt du persönlich diese Medien (Facebook, Instagram)? Welchen Einfluss haben sie auf dich?

Almira: Ich glaube, dass uns Social Media wahnsinnig stark beeinflusst, auch wenn wir das nicht zugeben wollen. Ich sehe besonders für die junge Generation Schwierigkeiten im Umgang mit Social Media, da sich oftmals das Selbstwertgefühl dieser jungen Menschen über solche Plattformen aufbaut und über Likes definiert. Ich persönlich überlege mir ganz genau, welche Inhalte ich in den Online-Medien teile. Insbesondere in meiner Rolle als Fotografin und Künstlerin habe ich oft mit dem Thema der Fotorechte zu hadern. Dennoch nutze ich diese Medien beruflich. Man muss sich sichtbar machen, denn es ist auch nicht zielführend, wenn Kunst nur auf meinem Laptop zuhause in meinen 4 Wänden passiert.

 

In der Fotoserie wird der Mensch zum visuellen Konsumgut. Wie sieht dein eigenes Konsumverhalten aus?

Almira: Konsum ist für mich ein schwieriges Thema. Ich versuche bewusst zu konsumieren. Das funktioniert aber nicht immer. Meine größten Schwächen sind Bücher und Kleidung. Seit ich mit dem Surfen angefangen habe, hat sich mein Konsumverhalten total verändert. Durch Rucksackreisen und das Surfen habe ich gemerkt, wie wahnsinnig zufrieden ich bin, wenn ich nur wenig bei mir habe. Deshalb verabschiede ich mich immer mehr von materiellen Gütern.

Die Fotoserie befasst sich mit dem Zusammenhang von Körper und Identität. Wie charakterisierst du die Beziehung zwischen Körper und Identität?

Almira: Für mich ist Selbstakzeptanz ein wichtiger Verknüpfungspunkt zwischen Körper und Identität. Eine gesunde Selbstwahrnehmung und Selbstliebe ist mein Rezept für ein ausgewogenes Verhältnis. Die Beziehung zwischen Körper und Identität sehe ich gefährdet durch die Bilder- und Informationsflut, der wir ständig ausgesetzt sind.
Man muss bei sich bleiben. Ich rufe dazu auf, nicht Idolen nachzuahmen, sondern mit sich selbst zufrieden zu sein.

Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli

Was ist dein nächstes (Foto-) Projekt? Wie sehen deine Zukunftspläne aus?

Almira: Ich kann noch nicht darüber reden, aber es fühlt sich gut an. Derzeit bin ich in Portugal und arbeite an einem neuen Fotobuchprojekt. Als ich mit dem Bus nach Lissabon gefahren bin, hat es angefangen, wie ein Feuerwerk in meinem Kopf. Es ist nicht perfekt hier, das mag ich. Es ist roh, rau und nicht diese Wienhektik. Ich genieße es gerade frei zu sein. Die Ideen für mein neues Buchprojekt sind noch ganz frisch. Ich verrate euch aber, dass ich mit der Vermischung von Malerei und Fotografie arbeiten werde.

Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Kategorie: „I would like to look like!“ Fotografin Almira Avdyli im Gespräch – Teil 1

„I would like to look like!“ Fotografin Almira Avdyli im Gespräch – Teil 1

Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli.
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli

Ein Beitrag von Magdalena Lettner

Almira Avdyli ist ein kreativer Kopf, Absolventin des Kollegs Fotografie und audiovisuelle Medien an der Graphischen und Gewinnerin des diesjährigen Kulturkonzepte Fotowettbewerbs. In diesem Artikel verrät sie uns mehr über ihre Fotoreihe „I would like to look like!“ und die Kooperation mit dem Kunsthistorischen Museum Wien, das Schauplatz ihrer ersten großen Ausstellung war.

Deine Fotoserie wurde im Kunsthistorischen Museum ausgestellt – wie kam es zu dieser Kooperation?

 Almira: Das Projekt der Graphischen „Bilder nach Bildern“ war der Ausgangspunkt für mein Werk. Im Projekttitel bereits anklingend, war es Ziel, existierende Kunstwerke der Sammlung des Kunsthistorischen Museums als Anlass für neue Kreationen zu nehmen. Renommierte Kunst als Inspirationsquelle und Anstoß für neue künstlerische Auseinandersetzungen zu nutzen.

Unter der Bilderflut des KHM wurde meine Aufmerksamkeit von einem Torso eingenommen. Besonders die körperliche Fragmentierung der Skulptur machte mich neugierig. Ich bin quasi „picken geblieben“.

Ausgehend vom körperlichen Fragment des Torsos hinterfragte ich Begriffe wie Körper und Identität, Selbstinszenierung und Konsum vor allem im Hinblick auf Onlinemedien und Social Media. (Mehr dazu in Kürze im 2. Teil zu „I would like to look like!“)

Wie war die Zusammenarbeit als ausstellende Künstlerin mit dem KHM?

Almira: Meine Arbeiten in einem so professionellen, niveauvollen Rahmen präsentieren zu können, war für mich eine besondere Erfahrung. Der enge Kontakt zum Ausstellungsteam und die aktive Teilnahme an der Inszenierung der Werke, ermöglichte eine authentische Präsentation der Fotografien im Sinne der Kunstschaffenden. Sowohl Format und Hängung, als auch die Rahmung konnten von uns selbst entschieden werden. Am spannendsten fand ich die Möglichkeit, einen Blick hinter die Kulissen des Ausstellungswesens werfen zu können.

Wie hast du die Ausstellungseröffnung erlebt?

Almira: Die Ausstellungseröffnung meiner Fotoreihe im KHM verursachte bei mir schlotternde Knie. Ich sag’s dir ehrlich – voll Gänsehaut! Ich habe bereits zuvor meine Kunst vor Publikum präsentiert, jedoch nicht in einem so überwältigenden Rahmen. Das KHM ist noch dazu eines meiner absoluten Lieblingsmuseen. Wenn ich durch die ägyptisch-orientalische Sammlung schlendere oder mich gedanklich in den Werken Caravaggios fallen lasse, bin ich stets mit Notizheft und Musik ausgestattet – das KHM ist für mich ein Inspirationsort mit einem ganz eigenen Spirit.

Was möchtest du bei den Betrachtenden deiner Fotos auslösen?

Almira: Mir ist es wichtig, als Künstlerin und auch als Betrachterin anderer Kunst, dass man mich irgendwo hinlenkt, mir aber gleichzeitig einen gewissen Freiraum gibt.

Ich sehe meine Fotografien als gedanklichen Anstoß an die Betrachtenden, will aber niemanden in meiner Gedankenwelt einzwängen. Ich gebe zwar eine Richtung vor, lege aber größten Wert darauf, den BetrachterInnen genügend Raum zu lassen, um selbst gedanklich mit den Fotografien arbeiten zu können.

Mehr zu Almiras Intentionen und Gedanken hinter den Fotografien, sowie ein Ausblick auf ihr weiteres künstlerisches Schaffen findet ihr im nächsten Teil – demnächst hier auf dem Kulturkonzepte-Blog.

Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
Foto: I would like to look like! ©Almira Avdyli
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