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Kategorie: Sind Kulturorganisationen reif für die Gemeinwohl-Ökonomie? – Der Round Table #2 2019

Sind Kulturorganisationen reif für die Gemeinwohl-Ökonomie? – Der Round Table #2 2019

Ein Beitrag von Ulli Koch

Menschenwürde, Demokratieförderung, Solidarität und Gerechtigkeit sind Schlagworte, die sich wohl einige Kulturbetriebe auf die Fahnen schreiben würden. Es sind aber auch Schlagworte, die von einer Bewegung genutzt werden, der Gemeinwohl-Ökonomie. Dieses von Christian Felber entwickelte Modell geht davon aus, dass Unternehmen nicht nur an Kennzahlen gemessen werden können, sondern inwiefern sie zum Gemeinwohl einer Gesellschaft beitragen. Renate Obadigbo, die Vortragende am zweiten Round Table 2019, der die Anwesenden diesmal ins mumok geführt hat, war von der Frage, wie Kulturbetriebe unter den Gesichtspunkten des Gemeinwohl-Ökonomie-Modells beleuchtet werden können, sehr schnell angetan. Sie nutzte ihre Abschlussarbeit für den Lehrgang Kulturmanagement am Institut für Kulturkonzepte, um zu prüfen, ob da etwas zusammenkommt, das eventuell zusammengehört.

Gemeinwohl-Ökonomie kurz erklärt

Entwickelt wurde das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie vor dem Hintergrund eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, das auf Wachstum und Ausbeutung setzt. Im Gegensatz dazu lässt sich ein Unternehmen mit der Gemeinwohl-Matrix anhand von universellen Wertevorgaben, wie die Einhaltung der Menschenwürde, beleuchten. Diese Matrix wird von einem Team entwickelt und bei Bedarf aktualisiert. Die Gemeinwohl-Matrix fragt nach bspw. ökologischer Nachhaltigkeit, Kooperation und Solidarität mit Mitunternehmen, sozialer Haltung im Umgang mit Geldmitteln sowie Nachvollziehbarkeit und Partizipation auf allen Ebenen. Im Fokus steht der Mehrwert eines Unternehmens in den Bereichen Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit als auch Transparenz und Mitentscheidung.

Gemeinwohl-Ökonomie und Kulturbetriebe

Renate Obadigbo überprüfte ihre These, dass Kulturbetriebe sowohl von innen als auch von außen betrachtet von der Durchführung einer Gemeinwohl-Bilanz profitieren und zu einem gesellschaftlichen Wandel beitragen können, anhand von 12 Interviews. Ihre Gesprächspartner_innen waren Vertreter_innen von Kulturbetrieben, darunter das Volkstheater in Wien, die ARGEkultur Salzburg, KiG! Kunst in Graz und das Klangforum Wien. Zentrales Ergebnis ihrer Forschungsarbeit lautet, dass Kulturbetriebe bereits jetzt viele Faktoren der Gemeinwohl-Matrix erfüllen, diese jedoch nicht systematisch erfasst werden. Grund dafür, so das Ergebnis der Interviews, sind u. a. fehlende Ressourcen. Diese mangeln auch, wenn ein Kulturbetrieb die Überlegung anstellt, bei noch nicht ganz erfüllten Faktoren der Matrix, nachzubessern. Ein Beispiel: Druckwerke fallen in jedem Kulturbetrieb an. Nur welche Druckerei wird gewählt: Jene, die ökologisch druckt, noch dazu ein kleinerer regionaler Betrieb ist oder bei der Onlinedruckerei, die – überspitzt formuliert – um die Hälfte billiger ist und damit das nie ausreichende Budget nicht überstrapaziert?

Sich trotzdem einem Gemeinwohl-Audit oder einer Selbstprüfung anhand der im Internet kostenfrei verfügbaren Tools zu unterziehen, birgt Vorteile für den Kulturbetrieb. Zunächst lässt sich der Mehrwert von Kulturbetrieben anhand eines standardisierten Verfahrens abbilden – und dies nicht ausschließlich über Zahlen, sondern anhand ausformulierter Begründungen und deren anschließender Bewertung mit einer Punkteskala. Damit kann sowohl der Gesellschaft als auch der Politik ein transparenter Einblick in Betriebsabläufe geleistet werden; nicht zu vergessen, dass die Umsetzung gemeinwohl-ökonomischer Grundsätze auch intern für Transparenz und Nachvollziehbarkeit der innerbetrieblichen Haltungen und Handlungen sorgt.

Praktische Umsetzung ja – aber wie?

Soweit die Theorie, denn dass die praktische Umsetzung viele Fragen aufwirft, war vorherzusehen. Die erste kritische Nachfrage warf die Grundsatzdiskussion auf, warum ein Kulturbetrieb sich dieser Selbstprüfung unterziehen soll, wenn Förderinstitutionen und politische Vertreter_innen, von denen Kulturbetriebe finanziell abhängig sind, eine Gemeinwohl-Bilanz in ihren Förderentscheidungen nicht berücksichtigen. Noch dazu, da für Rechenschaftsberichte, Abrechnung und Budgeterstellung ja weiterhin konkrete Kennzahlen erfüllt und argumentiert werden müssen. Diese Problematik wurde auch in den Interviews von Renate Obadigbo angesprochen, die in ihrer weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema zu dem Schluss gekommen ist, dass hier ein Bottom-up-Effekt zu tragen kommen könnte. Das bedeutet dass durch die vermehrte Umsetzung eines Gemeinwohl-Audits von Kulturbetrieben die Politik dies als möglichen Benchmark wahrnimmt und es in weiterer Folge in Förderkriterien aufnehmen kann.

Doch wie grenzt sich die Gemeinwohl-Ökonomie von Corporate Social Responsibility (CSR) ab, das ja lange Zeit als das Tool für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit galt, war eine der weiteren Nachfragen. Als einen wesentlichen Unterschied nennt Renate Obadigbo, dass es sich bei der Gemeinwohl-Ökonomie um ein umfassendes Wirtschaftsmodell handelt. Es bezieht Aspekte mit ein, die zusätzlich zur Wirtschaft auch in die Gesellschaft und Politik hineinreichen und dort wirken sollen. Die Gemeinwohl-Ökonomie beruft sich explizit auf Solidarität und Kooperation. Neiddiskussionen haben da keinen Platz, denn das Werteverhalten ist auf Vertrauen ausgerichtet. Zudem wird CSR in manchen Fällen leider als eine Form des Greenwashings benutzt, während mittels der Gemeinwohl-Ökonomie, die nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist, ein tatsächlicher Systemwandel angestrebt wird.

Das Schlagwort Systemwandel gab der bereits sehr lebhaften Diskussion beim Round Table des Instituts für Kulturkonzepte noch weiteres Feuer: Sind Kulturbetriebe denn prinzipiell interessiert daran sich für einen Systemwandel einzusetzen und diesen zu unterstützen, war eine der Fragen, und, dass dieser nur möglich ist, wenn Solidarität und Gemeinschaft auch von Kulturbetrieben vorgelebt werden, eine der Thesen. Ein Gedankenexperiment entwarf eine nach gemeinwohl-ökonomischen Grundsätzen agierende Bank, die als Finanzierungspartner in Form eines Sponsorings oder eines Kredits für Kulturbetriebe agiert, die ebenfalls nach der Gemeinwohl-Ökonomie handeln. Dass es schwer sein kann als erster Betrieb zu starten, war einheitlicher Tenor, den Renate Obadigbo mit dem Hinweis auf die bereits durchgeführte Gemeinwohl-Bilanz der ARGEkultur Salzburg aufmerksam machte. Ein Modellbetrieb, den ein solidarisch agierender Kulturbetrieb ja auch um Erfahrungsberichte fragen kann. Ein weiterer Gedanke aus der Diskussion stellte die mögliche Vergleichbarkeit von Kulturbetrieben und Unternehmen in den Fokus. Sind sowohl Kulturbetriebe als auch Unternehmen nach der Gemeinwohl-Matrix analysiert, lassen sie sich auf Augenhöhe und nach den gleichen Kriterien miteinander vergleichen.

Haltungsthema

Kulturbetriebe erfüllen durch ihre ideelle Ausrichtung bereits einige zentrale Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie, erfasst wurde dies bis jetzt aber nur von wenigen Kulturbetrieben in Österreich. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung, war dazu eine Wortmeldung aus der Diskussion, während die Frage, wie die dazu notwendigen Ressourcen aufgestellt werden sollen, noch nicht beantwortet wurde. Doch warum es nicht einfach probieren? Den eigenen Kulturbetrieb ganzheitlich wahrnehmen, Aspekte beleuchten, die vorher nicht im Fokus waren als Unterstützung für den Systemwandel, wäre doch einen Versuch wert, eine Antwort von Renate Obadigbo.

 

Foto: Verena Schmid
Foto: Verena Schmid
Kategorie: Kulturfairmitteln – Round Table Personalentwicklung #4 2018

Kulturfairmitteln – Round Table Personalentwicklung #4 2018

Ein Beitrag von Ulli Koch

KulturvermittlerInnen sind eine tragende Säule für Kulturbetriebe. Doch ihr Standing innerhalb eines Hauses ist nicht immer gesichert. Zu oft werden sie nicht oder nicht ausreichend von den jeweiligen Institutionen angestellt. Zu oft können sie nicht oder nur schwer eine Lebensplanung vornehmen, die über ein Kalenderjahr hinausgeht. Zu oft leben sie in prekären Verhältnissen, dessen finanzielle Unsicherheit sich auch auf die Gesundheit niederschlägt. Doch es geht auch anders, gesicherte Anstellungen sind möglich und tragen zudem zur Qualitätssteigerung in den Kulturbetrieben bei. Warum das so ist und welche Benefits der Kulturbetrieb von Anstellungen hat, legt Wencke Maderbacher im November beim Round Table Personalentwicklung des Instituts für Kulturkonzepte dar. Dieses Mal fand der Round Table unter der netten Gastfreundschaft von KulturKontakt Austria in dessen Räumlichkeiten in der Universitätsstraße statt und erfreute sich über 20 TeilnehmerInnen aus den unterschiedlichsten Kulturorganisationen, die angeregt über das Thema diskutierten.

Der Grundstein für Wencke Maderbachers Engagement für die Anstellung von KulturvermittlerInnen hat der Lehrgang Kulturmanagement am Institut für Kulturkonzepte gelegt. Damals noch im Technischen Museum Wien in der Kulturvermittlung tätig, hat sie sich dafür eingesetzt, dass die KulturvermittlerInnen angestellt werden, und hat somit einen Change-Prozess in Gang gesetzt. Niedergeschrieben findet sich dieser in ihrem Praxishandbuch „Kulturfairmitteln – Praxishandbuch Anstellung eines Kulturvermittlungs-Teams“, das 2015 vom Technischen Museum Wien publiziert wurde.

Round Table Personalentwicklung Kulturfairmitteln
Foto: Itta Francesca

Ausgangslage und falsche Annahmen

Um sich empirisch an das Thema Anstellung für KulturvermittlerInnen auseinanderzusetzen, hat Wencke Maderbacher, inzwischen auch bei ICOM CECA tätig, einem internationalen Netzwerk für Kulturvermittlung, eine österreichweite Umfrage unter Museen durchgeführt. Während in den Museen an sich 83 % aller MitarbeiterInnen eine feste Anstellung haben, sind es in den Kulturvermittlungs-Teams nur mehr 50 %. Argumentiert wird dies mit der schwankenden Buchungslage, die ein Planen unmöglich machen würde, schließlich bieten viele Museen als Serviceangebot, dass gebuchte Termine noch am selben Tag storniert oder überhaupt erst am Tag selbst gebucht werden können.

Ein weiterer Grund dafür ist die Annahme, dass Kulturvermittlung überwiegend von Studierenden und KünstlerInnen durchgeführt werden würde, die sich nicht fest an ein Haus binden möchten und gerade die freie Zeiteinteilung so schätzen würden. Fakt jedoch ist, dass 85 % aller KulturvermittlerInnen, die in den befragten Häusern tätig sind, Frauen mit einem akademischen Hochschulabschluss sind.

Sowohl für die Kulturbetriebe, als auch für die KulturvermittlerInnen hat diese Ausgangslage negative Konsequenzen: Fakt ist, dass instabile Arbeitsbedingungen zu Stress führen und die psychische wie physische Gesundheit verschlechtern. Getoppt wird dies durch eine immense Verschlechterung der Sozialversicherungslage, inklusive Einbußen bei der späteren Pension. Fakt ist zudem, dass Kulturbetriebe mit einer größeren Fluktuation rechnen müssen, wodurch wertvolles Wissen verloren geht und langfristige Planungen verhindert.

Round Table Personalentwicklung Kulturfairmitteln
Foto: Itta Francesca

Es geht auch anders

Wie Wencke Maderbacher eindrücklich nahelegt, sorgt eine fixe Anstellung des Kulturvermittlungs-Teams auf beiden Seiten zu einer Win-Win-Situation. Betrachten wir zunächst den Kulturbetrieb, so zeigt sich eine deutliche Erhöhung des Qualitätsstandards. MitarbeiterInnen, die eine fixe Anstellung haben, bringen ihr Wissen, ihre Kompetenzen und Ressourcen in den Kulturbetrieb ein. Noch mehr als zuvor werden sie zu einem Aushängeschild des Kulturbetriebs, die im direkten Publikumskontakt die Ansprüche und Haltungen des Museums nach außen tragen. Dazu trägt auch so etwas Simples wie eine personalisierte Mailadresse bei, die auch nach außen zeigt, dass es sich um ein Team handelt, das gemeinsam und möglichst gleichwertig für die Geschicke des Hauses verantwortlich ist.

Diese Vorteile wirken direkt auf die KulturvermittlerInnen ein, deren fester Arbeitsplatz ihnen ermöglicht, Vor- und Nachbereitungszeit im Haus selbst durchzuführen. Für Projekte, die im Haus umgesetzt werden, können fixe Teams zusammengestellt werden, die mit ihrem ExpertInnenwissen, das sie sich während der Projektvorlaufzeit erarbeiten, wesentlich zur Qualitätssicherung beitragen.

Round Table Personalentwicklung Kulturfairmitteln
Foto: Itta Francesca

Planung als wichtigster Schritt

Der für beide Seiten wohl größte Benefit ist die Planungssicherheit – auf individueller Ebene der KulturvermittlerInnen und auf Seiten des Kulturbetriebes. Dieser kann die bestehenden Angebote einer Evaluierung unterziehen und gemeinsam im Team neue oder adaptierte Angebote erschaffen. Er kann sich auch von bestehenden Angeboten trennen, wenn die Evaluierung im Team eine schlechte Buchungslage oder eine notwendige inhaltliche Veränderung ergibt.

Geplant werden muss zudem die Weiterentwicklung des Teams. Das bedeutet zum einen Teambuildingmaßnahmen durchzuführen, auch um gemeinsame Qualitätsstandards zu definieren, die vom Team getragen werden. Zum anderen muss der Kulturbetrieb definieren, welche Weiterbildungs- und Entwicklungsmöglichkeiten den einzelnen KulturvermittlerInnen angeboten werden kann, um sich beispielsweise in ein Themenspektrum zu vertiefen oder auch bei der kuratorischen Entwicklung eines Projekts beteiligt zu sein.

Was bei der Planung nicht vergessen werden darf, sind die notwendigen physischen Arbeitsplätze und notwendige Infrastruktur für die Teams. Wie, so eine Frage, die in der Diskussion gestellt wurde, kann ich Platz für MitarbeiterInnen schaffen, wenn ich nur ein begrenztes Raumkontingent zur Verfügung habe? Eine Möglichkeit dafür ist Desk-Sharing, bei der beispielweise zwei Teilzeitkräfte sich einen Schreibtisch teilen. Auch Home-Office Angebote, flexible Lösungen mit Laptops und kreative Nachdenkprozesse im Team können Antworten auf diese Frage sein.

Round Table Personalentwicklung Kulturfairmitteln
Foto: Itta Francesca

Anstellung ohne Budget?

Ein weiteres Argument, warum Kulturvermittlungs-Teams selten anstellt werden, begründet sich auf der finanziellen Lage von Kulturbetrieben, die schon länger und weiterhin zunehmend einer budgetären Not entgegenblicken. Daher ist es wichtig, dass das Projekt „Anstellung“ von der Geschäftsleitung aktiv mitgetragen wird. Zunächst kann dieses Projekt rein rechnerisch ein Minusgeschäft bedeuten, das auch gegenüber der Kulturpolitik und Öffentlichkeit argumentiert werden muss. Mit den Jahren – grob geschätzt innerhalb von fünf Jahren, wie das Beispiel Technisches Museum zeigt – rentiert sich dieses Projekt und der Verlust wandelt sich zu einem Gewinn.

An diese Budgetfrage anknüpfend, wird von den anwesenden DiskutantInnen des Round Tables eingeworfen, dass dies nur große Kulturbetriebe leisten können, während kleinere Vereine und Initiativen aufgrund ihrer noch prekäreren Lage eine Anstellung nicht einfach so vornehmen können. Dass es aber auch hier anders gehen kann, zeigt das in der Runde vorgestellte Beispiel von Theater Sommer Klagenfurt. Hier werden von Seiten der Geschäftsführung Sponsoringverträge mit Firmen abgeschlossen, die alleinig zur Deckung der Personalnebenkosten genutzt werden.

Round Table Personalentwicklung Kulturfairmitteln
Foto: Itta Francesca

Anstellung als Haltung

„Ein Unternehmen macht ein Statement, wenn es Anstellungen als wichtig erachtet“, wird von einer Person in die Diskussion eingeworfen und thematisiert damit, dass es sich beim Thema Anstellung auch um eine Haltungsfrage handelt. Anstellung bedeutet den MitarbeiterInnen eine größere Wertschätzung entgehen zu bringen, ihnen Verantwortungen zu erteilen und Arbeit fair zu honorieren. Es ist ein Change-Prozess innerhalb des Kulturbetriebes, der nur gelingen kann, wenn er gemeinsam von allen Beteiligten getragen wird.

 

Hier erfahren Sie, was das Institut für Kulturkonzepte noch zu Personalentwicklung anbietet – im Programm Der neue Kulturbetrieb.

Round Table Personalentwicklung Kulturfairmitteln
Foto: Itta Francesca
Kategorie: Das Wissen vieler – Veronica Kaup-Hasler über Publikum, Team und die Kunstblase

Das Wissen vieler – Veronica Kaup-Hasler über Publikum, Team und die Kunstblase

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

Ein Beitrag von Martina Brunner

Bei den Themen Personal- und Publikumsentwicklung ist es wichtig, am Puls der Zeit zu bleiben und in die Zukunft zu blicken – zu wissen, was MitarbeiterInnen benötigen, um die dahinterstehende Mission der Institution voranzutreiben. Diese Mission kann nur wirken, wenn die Institution gut und professionell organisiert wird. Gleichzeitig muss die Qualität von Management und Organisation der künstlerischen Qualität entsprechen.

Beim Round Table Personalentwicklung, der am 7. Juni 2018 im Volkskundemuseum Wien stattgefunden hat, hat sich das Institut für Kulturkonzepte gemeinsam mit Führungskräften im Kulturbereich diesen Themen gewidmet. Zu Gast war Veronica Kaup-Hasler, ehemalige Intendantin des steirischen herbstes und aktuell Wiener Kulturstadträtin. Mit ihr haben wir über die Veränderungen und Entwicklungen im Kulturbetrieb aus ihrer persönlichen Sicht gesprochen – und über mögliche Lösungswege, gemeinsam die Kunstblase perforieren zu können. Für Sie haben wir den Abend hier kurz zusammengefasst:

Was sind Modelle und Zugänge für Teamentwicklung? Wie hast du das Team vom steirischen herbst entwickelt?

Veronica Kaup-Hasler: Zu meiner Anfangszeit fand ich ein Team vor, das bereits auf eine bestimmte Art gearbeitet hat. Was ich gemacht habe war, mit jeder Mitarbeiterin und jedem Mitarbeiter zweimal eine Stunde zu reden, um ein MitarbeiterInnen-Mapping zu erstellen. One-to-one eine Gesprächssituation herbeizuführen, um herauszufinden, wer das Gegenüber ist, was bereits geleistet wurde und welche Perspektive diese Person auf das Team und die Organisation hat. Danach war es möglich auszuloten, wo es Schwachstellen, nicht gelebte Wünsche, Entwicklungspotenziale und längst erwartete Veränderungen gibt. Durch das Fragen, das Sprechen, die gemeinsamen Hinweise, hat sich langsam ein neues Team entwickeln und herauskristallisieren können.

Wichtig war für mich, auch Aufgaben an MitarbeiterInnen delegieren zu können. Dafür habe ich ihnen eine Carte blanche ausgestellt, um ihnen maximale Freiheit in ihren Entscheidungen zu ermöglichen. Das hat großen Ehrgeiz und viel Positives für die Organisation bewirkt. Natürlich habe ich den großen Rahmen, die dicken Linien und auch starke inhaltliche Vorgaben gegeben, aber innerhalb dessen waren die MitarbeiterInnen frei.

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

Zum Thema Teamentwicklung und Audience Development – was habt ihr beim steirischen herbst unternommen, um Menschen zu erreichen, die sich nicht als experimentierfreudiges Kunstpublikum sehen? Wie hängt das mit der Haltung des Teams und dessen Entwicklung zusammen?

Veronica Kaup-Hasler: Das Problem ist, dass wir manchmal eine gewisse Arroganz gegenüber einem anderen Publikum haben. Wir glauben, dass zeitgenössische Musik nur jemanden erreicht, bei dem bereits Vorbildung dafür besteht. Der steirische herbst zeigt herausfordernde Kunstformen, die permanent dazu bewegen, neue Strategien zu entwickeln und ein neues Publikum zu erreichen. Ich habe versucht, die Kunstvermittlung und den Handlungsspielraum dafür durch privates Sponsoring zu erweitern. Wir müssen uns in die Bevölkerung hineinversetzen, um Konstellationen zu schaffen, die interessant für die Menschen sind. Das kann nicht nur in Konzertsälen passieren, wo die Schwelle zu groß ist. In diesen Bereichen mit Einnahmen zu rechnen, halte ich für falsch, auch wenn es allgemein anders gehandhabt wird, denn wir haben einen Bildungsauftrag. Leider findet zu wenig Konfrontation statt und wir müssen in Zukunft erfindungsreicher sein, um Menschen abzuholen. Und sie sind abholbar.

Wie hat sich die BesucherInnen-Struktur beim steirischen herbst über die Jahre geändert? Konnte man ermitteln ob es eine Stammkundschaft gibt?

Veronica Kaup-Hasler: Generell kann ich sagen, dass für einen Publikumswechsel nie Interesse bestand, weil man alle erreichen und mitnehmen wollte – der Hauptkern war allerdings immer zwischen 25 und 45 Jahren. Das Publikum, das mit der vorherigen Intendanz sehr stark verbunden war, ist kurz weggebrochen. Teile davon sind aber immer wiedergekommen. Besonders schön war es zu merken, dass am Anfang meiner Intendanz, das Publikum sehr jung war und mit mir etwas älter geworden ist. In dieser Hinsicht ist anzunehmen, dass sich tatsächlich eine Stammkundschaft entwickelt hat.

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

Wann ist das Verhältnis zu seinen MitarbeiterInnen in flachen Hierarchien zu nahe? Wieviel von dem, das hinter den Kulissen passiert, gibt man preis, um bei heiklen Situationen das Team nicht zu belasten?

Veronica Kaup-Hasler: Das ist wirklich schwierig. Es ist ein ständiges Ausbalancieren, wann es diese große Nähe braucht und dann auch wieder Abstand. Man justiert permanent. Ich denke, die große Erschöpfung als Führungskraft sollte man auch in harten Zeiten nicht zeigen, denn ansonsten bricht alles auseinander, da die Energie der MitarbeiterInnen so verloren geht. Wichtig ist, schlechte Nachrichten mit Lösungen zu verbinden.

Hat die Weiterentwicklung des Teams „learning on the job“ stattgefunden oder gab es individuelle Personalentwicklungsmaßnahmen?

Veronica Kaup-Hasler: Wir hatten zwei Phasen durch den Wechsel der kaufmännischen Leitung, in denen es notwendig war, mehr Vertrauen zu bekommen. Die frühere und jetzige Leitung hatte unterschiedliche kommunikatorische Fähigkeiten und agierte sehr verschieden. Es gab zwei Situationen, in denen ich eine Mediatorin herangezogen habe, um die Schnittstellenproblematik klar aufzuzeigen. Sehr oft konnte ich selbst Konfliktsituationen innerhalb des Teams lösen. Aber ich erinnere mich an Spannungsmomente, wo es eben nicht Sinnt macht, wenn man sich als Chefin einmischt. Ich habe regelmäßig dazu angeregt, gemeinsam als Team etwas zu unternehmen sowie Teammediationen zu organisieren, wenn ich es für notwendig hielt

Ein herzliches Dankeschön an Veronica Kaup-Hasler und die TeilnehmerInnen vieler Kultureinrichtungen für die inspirierende Gesprächsrunde sowie Matthias Beitl und dem Team des Volkskundemuseums Wien für die Gastfreundschaft. Fotos: Corinna Eigner

 

 

 

Veronica Kaup-Hasler im Institut für Kulturkonzepte
Foto: Corinna Eigner

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