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@ Evelyn Rois
Kategorie: Kulturfinanzierung Nach dem Filmfestival ist vor dem Filmfestival 02.06.2017
Gartenbaukino
@ Evelyn Rois

Ein Einblick in die österreichischen Filmfestivals Diagonale und Tricky Women

Ein Beitrag von Ulli Koch

Jährlich zieht es über 250.000 BesucherInnen in die Kinosäle Österreichs, um bei einem der 43 Filmfestivals dabei zu sein. Sie können dabei auf ein vielfältiges Angebot zurückgreifen: Seien es Kurzfilme beim Vienna Shorts (VIS), das Crossing Europe Festival in Linz oder jene Filmfestivals, die hier im Zentrum stehen sollen, die Diagonale in Graz und Tricky Women in Wien. Beide – um es mal ein bisschen verkürzt auszudrücken – zeigen ein Filmprogramm, das eher im Nischenbereich anzusiedeln ist.

Das seit 1993 unter dem Titel Diagonale bestehende Festival hat sich auf den österreichischen Film spezialisiert. Sein Anspruch besteht darin, den österreichischen Film in seiner ganzen Bandbreite darzustellen, also experimentelle und historische Filme, Lang- und Kurzfilme sowie Dokumentar- und Spielfilme in das Programm aufzunehmen. Seit 1998 findet die Diagonale jährlich in Graz statt, seit zwei Jahren wird sie zudem von einem Duo geleitet, Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber. Beiden ist es wichtig an die bestehende Qualität der Diagonale anzuschließen und gleichzeitig einen roten Faden durch das ganze Programm zu spinnen.

Sebastian Höglinger & Peter Schernhuber @ Lukas Maul

Tricky Women wurde 2001 gegründet und seit Anbeginn von Waltraud Grausgruber und Birgitt Wagner kuratorisch sowie organisatorisch geleitet. Gezeigt werden Animationsfilme, die ausschließlich von Frauen produziert und gestaltet werden. Das Programm ist von politischen Filmen geprägt, die Themen weiblicher Lebensrealitäten in all seinen Facetten aufgreifen, wobei auch das Lustvolle und ästhetisch Anspruchsvolle nicht zu kurz kommen. Tricky Women zeigt Animationsfilme, die sonst vielleicht eher nicht auf einem Festival gezeigt werden, und ist innerhalb der Nische Animationsfilm inzwischen nicht mehr wegzudenken – vor allem, da es das einzige mit einer dezidiert feministischen Ausrichtung darstellt.

Birgitt Wagner & Waltraud Grausgruber

Organisationstalente

Während die FestivalbesucherInnen noch von einem Kinosaal in den nächsten eilen, wird bereits im Hintergrund für das nachfolgende Jahr gearbeitet. Umso wichtiger ist es für die Festivalleitungen ein funktionierendes Team hinter sich zu haben. Tatsächlich ist es so, dass das Team während der Festivalzeit radikal anschwillt, um anschließend wieder radikal zu schrumpfen. Und doch bieten Filmfestivals ca. 500 Personen einen Arbeitsplatz, der jedoch leider meist sehr prekär gestaltet ist, manchmal auch ohne Bezahlung. Trotz dieser Schwierigkeit versuchen sowohl die Diagonale als auch Tricky Women eine gewisse Kontinuität beizubehalten, auch wenn sie ihr Team teilweise nur für die Festivalzeit beschäftigen können. „Wünschenswert ist, gleich nach einem Festival mit dem bestehenden Team weiterzuarbeiten, aber es bricht fast immer eine Säule weg“, bemerkt Sebastian Höglinger von der Diagonale und spricht damit auch den Wegfall von Wissen an sowie die Notwendigkeit jedes Jahr neue MitarbeiterInnen einzuschulen. Während die Geschäftsführer der Diagonale, die auch für das Kuratieren zuständig sind, im Bereich der Organisation auf Unterstützung zurückgreifen können, sind die Leiterinnen von Tricky Women für alle anfallende Belange zuständig und können nur wenige Aufgaben auslagern. „Wir achten aber darauf, dass alle Beteiligten unserem Budget entsprechend bezahlt werden.“, betont Waltraud Grausgruber.

Sebastian Höglinger und Peter Schernhuber müssen zudem mobil sein, schließlich haben sie sowohl in Wien als auch in Graz ein Büro. Diese Aufteilung hat sich über die Jahre hin bewährt, denn so kann auf der einen Seite mit der in Wien angesiedelten Filmbranche und auf der anderen Seite mit dem Festivalort Kontakt gehalten werden. Ab dem Spätherbst, wenn das Team langsam wieder anschwillt, finden wöchentliche Teamsitzungen statt bei denen die Diagonale-Kuratoren auf digitale Kommunikationskanäle setzen, die die Arbeit wesentlich erleichtern. Auch auf einer kommunikativen Ebene macht die Aufteilung auf zwei Standort Sinn: Von Wien aus erfolgt die Presse- sowie Redaktionsarbeit für das Programm, hier finden sich auch die großen Medienhäuser Österreichs. In Graz selbst ist die Marketing- und Sponsoringabteilung angesiedelt, die eng mit den lokalen Unternehmen zusammenarbeitet. „Diese Regionalität ist bewusst gewünscht. Wir möchten die regionale Szene ansprechen, mit lokalen Kulturvereinen und -Einrichtungen zusammenarbeiten“, so Peter Schernhuber. Eine Initiative, die sich auszahlt, und die durch die Auszeichnung bei der Green Events Austria Gala 2017 in der Kategorie der Kulturveranstaltungen für das Projekt Diagonale #denktweiter noch verstärkt wird.

@ Diagonale | Paul-Pibernig

Publikumsmagnete

Ausschlaggebend für den Besuch eines Filmfestivals ist die Möglichkeit Filme zu sehen, die eher nicht im regulären Kinoprogramm zu finden sind, die Stimmung vor Ort, die thematische Ausrichtung und ein generelles Interesse für das Medium Film – dies ergab eine vom Forum österreichischer Filmfestivals (FÖFF) durchgeführte Studie für das Jahr 2016 und benennt somit Eigenschaften, die auch auf die Diagonale und Tricky Women zutreffen.

Zentraler Festivaltreffpunkt von Tricky Women ist seit einigen Jahren das Metro Kinokulturhaus in Wien „Es ist dort sehr passend“, meint Waltraud Grausgruber, „Es ist zwar etwas kleiner, jedoch kann so wirklich ein Austausch stattfinden. Unser Publikum trifft sich im Foyer und weiß einfach, alle, die da sind, sind auch wegen des Festivals gekommen. Und dann besteht auch die Möglichkeit mit den anwesenden Künstlerinnen in Kontakt zu kommen, sich zu vernetzen und rege auszutauschen.“ Ergänzt wird dies durch ein Vermittlungsprogramm, das u.a. Workshops beinhaltet, in denen das Publikum selbst einen Trickfilm gestalten kann.

Mit wesentlich größeren Dimensionen hat es die Diagonale zu tun, die die gesamte Stadt Graz bespielt. „Graz hat eine funktionierende Innenstadt und die einzelnen Spielstätten sind zu Fuß erreichbar“, beschreibt Sebastian Höglinger die Vorzüge der Stadt. Neben diesen Aspekten, die wesentlich zur Stimmung beitragen, ist es vor allem die Stadtpolitik, die das Filmfestival organisatorisch und finanziell unterstützt. Der Nachteil ist jedoch, dass das Archivmaterial nicht in allen Kinos gezeigt werden kann, da es in keinem Kinosaal mehr als einen 35mm-Projektor gibt und Überblendungen daher nicht möglich sind. Wünschenswert wäre demnach, dass eine solche Kinoausstattung nicht auf Wien beschränkt bleibt.

Finanzprobleme

Die größte finanzielle Säule für alle Filmfestivals in Österreich stellen öffentliche Subventionen dar. Auf Planungssicherheit können die einzelnen Festivals jedoch trotzdem nicht bauen. Die Tendenz geht in Richtung vieler kleinerer Förderungen von unterschiedlichen Stellen – eine Fleckerlteppichfinanzierung.

„Wir haben seit zehn Jahren das gleiche Budget. Wenn uns dann eine Säule wegbricht, können wir nicht mehr so weiterarbeiten wie bisher.“ beschreibt Waltraud Grausgruber die prekäre Situation von Tricky Women. Die Aufstellung der Finanzierung nimmt entsprechend viel Zeit in Anspruch; Zeit, die dann bei den anderen Aufgaben eingespart werden muss. Eine Förderung durch die EU wäre zwar vielleicht sinnvoll und eine Einreichung würde auch zu Erfolg führen, jedoch ist das Prozedere äußerst umfassend und kann aus Ressourcengründen nicht durchgeführt werden.

Auch die Diagonale kämpft jedes Jahr erneut um die Finanzierung, hat aber zu ihrem Vorteil ein besseres politisches Standing. Es ist von öffentlichem Interesse, dass es ein Festival des österreichischen Films gibt und auch die Stadt Graz hat Interesse daran, dass jährlich eine große Anzahl an Menschen nach Graz kommt und somit auch die regionale Wirtschaft belebt. Feministische Festivals müssen sich da schon eher mit der Frage auseinandersetzen, ob sie denn überhaupt an Relevanz besäßen. Dazu gesellt sich die Schwierigkeit Sponsoringgelder zu lukrieren, denn potentielle SponsoringpartnerInnen argumentieren, dass es doch wirklich sehr unfair sei Männer auszuschließen.

@ Tricky Women | Evelyn Rois

Fazit

Mit Tricky Women und der Diagonale hat Österreich zwei Filmfestivals, die für hohe Qualität stehen und jedes Jahr aufs Neue mit hohen Besuchszahlen rechnen können. Obwohl sie von außen wie temporäre Veranstaltungen wirken, wird im Hintergrund kontinuierlich bereits am Folgejahr gearbeitet bzw. das Vorjahr abgeschlossen. Trotz der inhaltlichen, strukturellen und organisatorischen Unterschiedlichkeit zeigen sich auf der organisatorisch-administrativen Ebene einige Gemeinsamkeiten, deren wohl größte gemeinsamer Nenner die Liebe zum Film, der Anspruch an qualitativ hochwertiges Kino und ein beständiges Ringen um Finanzierung sind. Letzteres sollte im Auge behalten werden, denn ein weiteres, großes Filmfestival, das Kino unter Sternen in Wien, hat verkündet 2017 wegen mangelnder Finanzierung nicht stattzufinden.

Der Filmfestivalreport Österreich, der vom Forum österreichischer Filmfestivals in Auftrag gegeben wurde, findet sich hier: http://film-festivals.at/media/presse/Filmfestivalreport_Oesterrei.pdf

Website Diagonale

Website Tricky Women

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