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Ein Beitrag von Itta Francesca Ivellio-Vellin
Im ersten Teil unseres Interviews mit den Künstlerinnen des Fotobuchprojekts PHOBIA, Sabrina Wegerer, Melanie Asböck, Anna Niederleitner und Ronja-Elina Kappl, haben wir spannende Details über das Team, die Themenfindung und den Entstehungsprozess des Projekts erfahren.
In diesem Beitrag können Sie mehr über die Hintergründe des Projekts und die fotografierten Menschen lesen:
Was kennzeichnet eine Phobie? Gibt es einen Unterschied zwischen Phobie und Angst(störung)?
SABRINA: Wir haben für das Projekt mit Dr. Alfons Hamm, ein Experte auf dem Gebiet der spezifischen Phobien, zusammengearbeitet. Er hat uns das Thema aus medizinischer Sicht nähergebracht. Als Phobie bezeichnet man eine äußerst intensive Furchtreaktion, welche durch einen spezifischen Reiz – zum Beispiel ein Objekt oder eine Situation – ausgelöst wird. Dabei wird die Furchtreaktion von dem zwingenden Wunsch begleitet, diesen Reiz zu vermeiden. Phobien sind in ihren Ausprägungen sehr unterschiedlich und reichen von normalisierten Ängsten bis hin zu pathologischen Phobien. Die Auswirkungen können gravierend für die betroffenen Menschen sein und mit starken Einschränkungen im Alltag einhergehen. Eine Phobie ist – neben generalisierten Angststörungen, Panikstörungen, Zwangsstörungen und posttraumatischen Belastungsstörungen – eine Art von Angststörung.
Welche Phobien behandelt ihr in eurem Projekt?
SABRINA: Der Fokus wurde in diesem Projekt auf atypische spezifische Phobien gelegt, die sich auf Strukturen, Materialien und Objekte beziehen. Es haben sich zwar sehr viele interessierte Personen, die von verschiedenen Phobien betroffen sind, bei uns für eine Zusammenarbeit gemeldet, durch unseren gesetzten Fokus mussten wir jedoch eine enge Auswahl treffen. Schlussendlich haben wir mit Menschen zusammengearbeitet, die Angst bzw. starke Aversion gegenüber Watte, Metall, Textil, Gummi, Statuen, Lochstrukturen, Luftballonen und Etiketten verspüren.
Wie habt ihr betroffene Menschen für euer Projekt gefunden?
MELANIE: In erster Linie haben wir mit vielen Menschen in unserem privaten Umfeld über das Projekt gesprochen. Das war schon sehr spannend, wie viele Geschichten da zum Vorschein kamen. Oft konnten wir dadurch Kontakte zu betroffenen Personen knüpfen. Zum anderen haben wir einen Aufruf in sozialen Medien gestartet, auf den auch viel positives Feedback folgte.
SABRINA: Außerdem haben wir Selbsthilfe-Gruppen schriftlich kontaktiert sowie Flyer ausgedruckt und in der Graphischen wie auch an einigen öffentlichen Plätzen aufgelegt.
Was war deren Grund, beim Projekt mitzumachen?
MELANIE: Die Gründe zur Teilnahme waren sehr verschieden. Ich denke, es war für viele eine besondere und vielleicht auch seltene Möglichkeit über ihre persönlichen Geschichten zu berichten und dabei ernst genommen zu werden. Bei manchen war die Motivation auch einfach, uns als Team beim Projekt zu unterstützen. Generell sind wir allen Personen, die bereit waren, ein so persönliches Thema offen mit uns zu teilen, sehr dankbar – das kann man eigentlich nicht oft genug sagen.
Habt ihr gezielt nach Menschen mit bestimmten Phobien gesucht?
SABRINA: Da wir uns vor allem gestalterisch mit Phobien auseinandersetzen wollten, haben wir uns von Anfang an auf spezifische konzentriert, wie etwa die Phobie vor Strukturen, Materialien und Objekten. Bei unserer Suche nach betroffenen Menschen haben wir daher konkret danach gesucht. Gemeldet haben sich aber auch viele mit Phobien, die nicht in das Konzept gepasst haben, denen wir leider absagen mussten. Uns wurde im Gespräch mit Dr. Hamm bewusst, dass diese atypischen Phobien aus medizinischer Sicht meist keine klassisch kategorisierten Phobien sind, sondern stark ausgeprägte Aversionen gekoppelt mit konkretem Furchtempfinden. Alltagssprachlich wird in diesen Fällen trotzdem auch von Phobien geredet. Es war uns aber wichtig, auf diese Tatsache hinzuweisen, was wir in einem eigenen Info-Heft, das fixer Bestandteil des Fotobuchs ist, tun.
Manche Personen sind auf den Fotos nicht zu erkennen, Gesichter sind verdeckt oder verschwommen. Einige sind genau zu erkennen. Warum?
RONJA: Jeder Mensch leidet in unterschiedlichen Ausmaßen an Phobien, doch wenige sprechen gerne darüber oder konfrontieren sich freiwillig damit. Für uns Fotografinnen war es daher wichtig, während des Interviews einen Draht zu den individuellen Personen aufzubauen und in Folge dessen ein Gefühl dafür zu bekommen, wie sie sich am wohlsten vor der Kamera fühlen. So entstanden die unterschiedlichen Strecken. Beim Auswählen der Bilder war es interessant, ganz genau auf die Körper- und Bildsprache zu achten und so jene Fotos zu wählen, die das Thema perfekt unterstützen.
ANNA: Es war von Person zu Person sehr unterschiedlich. Manche fühlten sich deutlich wohler vor der Kamera als andere. Da wir mit den reduzierten Studioportraits begannen, war es für uns im Anschluss umso wichtiger, in den Streckenfotos Abwechslung reinzubringen und diverse Facetten der jeweiligen Personen zu zeigen. Auch gab es eine Person, die aus persönlichen Gründen unbekannt bleiben wollte.
Wie habt ihr die Orte für die Fotoserien gewählt?
RONJA: Bei der Wahl der Locations ging es in erster Linie darum, die Vielfalt von spezifischen Phobien und den betroffenen Personen zu unterstreichen. Um am Ende stimmige Einzelhefte zu erhalten haben wir, sowohl für die Fotostrecken mit den Personen, als auch mit den Objekten, im Vorhinein Konzepte ausgearbeitet. So konnten wir unterschiedlichste Kombinationen aus Bildsprachen, Farben und Formen schaffen.
ANNA: Ich war bereits vor den Shootings an Ort und Stelle, um mir ein Bild von der jeweiligen Location zu machen. Manche hatte ich zuvor schon fotografiert oder mir als geeignet notiert. Oft waren es kleine Details, Schatten- oder Lichtsituationen, die mich überzeugten.
Sind die Objektfotografien alle im Studio entstanden?
SABRINA: Nein. Das waren hauptsächlich improvisierte Experimente in meinem Wohnzimmer. Das Luftballon »L« entstand im Studio an der Graphischen. Dabei holte ich mir Hilfe von Ronja, weil ich mich ohne professionelle Fotografiekenntnisse nicht über die Transparenz des PVC-Materials traute.
Wo kann man das Projekt noch sehen? Was waren bisherige Reaktionen?
SABRINA: Durch den hohen Produktionsaufwand konnten wir auf dem Fotobuch nur eine Auflage von 15 Stück produzieren. Öffentlich liegt leider keines davon auf, denn sie sind alle in den Händen von Print-LiebhaberInnen gelandet. Was uns sehr freut, und worüber wir auch sehr dankbar sind, dass es so viel Interesse an dem Projekt gibt. Einblicke in das Fotobuch kann man auf Instagram unter @projektphobia sehen. Dort sind auch unsere Portfolio-Profile verlinkt.
Die vielen positiven Reaktionen freuen uns natürlich sehr. Wir haben den Personen, die mit uns über ihre Ängste gesprochen haben, jeweils das Heft mit „ihrer Phobie“ als Dankeschön geschenkt. Daraufhin bekamen wir die Rückmeldung, dass sie aufgrund ihrer Angststörung bei einigen Seiten schnell weiterblättern mussten, weil sie sich bestimmte Fotos oder Inhalte nicht anschauen konnten – da hat unsere Übersetzungsarbeit anscheinend geklappt!
Was sind eure Pläne nach eurem Abschluss an der Graphischen?
MELANIE: Ich habe schon vor längerem gemerkt, dass mir das Arbeiten an umfangreichen Projekten und kreativen Konzeptideen großen Spaß macht. Dieses Jahr bin ich in der „Jung von Matt-Academy“ und möchte danach auch weiter als Kreativ-Konzepterin in der Agentur arbeiten.
RONJA: Nach dem Abschluss an der Graphischen bin ich nach Berlin gezogen, um als Junior Producer bei der Fotoagentur Freda+Woolf zu arbeiten. Dieser aktuelle Lebensabschnitt birgt viele neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Ich weiß noch nicht, wo es mich hinbringen wird, aber ich bin bereit, es herauszufinden.
ANNA: Ich persönlich möchte mich in dem weiterentwickeln, was ich gerne mache und das ist das Fotografieren. Dass das bereits zu meinem Beruf geworden ist, ist sehr erfreulich. Es gibt viele Ziele, die ich mir gesetzt habe und in Zukunft verfolgen werde.
SABRINA: Ich arbeitete direkt nach der Graphischen für einige Monate in einem Grafik Studio in Wien, um praktische Erfahrungen sammeln zu können. Vor der Graphischen habe ich an der Uni Wien studiert, jedoch vor dem Abschluss des Studiums noch das Grafik-Kolleg eingeschoben. Dieses Jahr steht die Master-Arbeit und der Abschluss meines Studiums auf Platz 1 meiner To-do-Liste. Nebenbei plane ich auch endlich eigene Projekte zu realisieren für die ich jetzt lange keine Zeit hatte – vor allem wieder mehr handwerklich arbeiten und neue Materialien entdecken.
An dieser Stelle bedankt sich das Institut für Kulturkonzepte für die gemeinsame Kooperation mit der Graphischen Wien, im Besonderen für die nette Zusammenarbeit mit Bettina Letz, Ulrich Eigner und Peter Bauer. Den vier Künstlerinnen des Projekts PHOBIA wünschen wir viel Spaß bei der Sommerakademie 2019 und viel Erfolg bei allen zukünftigen Projekten und dem weiteren Karriereweg!