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Ein Beitrag von Ulli Koch
Menschenwürde, Demokratieförderung, Solidarität und Gerechtigkeit sind Schlagworte, die sich wohl einige Kulturbetriebe auf die Fahnen schreiben würden. Es sind aber auch Schlagworte, die von einer Bewegung genutzt werden, der Gemeinwohl-Ökonomie. Dieses von Christian Felber entwickelte Modell geht davon aus, dass Unternehmen nicht nur an Kennzahlen gemessen werden können, sondern inwiefern sie zum Gemeinwohl einer Gesellschaft beitragen. Renate Obadigbo, die Vortragende am zweiten Round Table 2019, der die Anwesenden diesmal ins mumok geführt hat, war von der Frage, wie Kulturbetriebe unter den Gesichtspunkten des Gemeinwohl-Ökonomie-Modells beleuchtet werden können, sehr schnell angetan. Sie nutzte ihre Abschlussarbeit für den Lehrgang Kulturmanagement am Institut für Kulturkonzepte, um zu prüfen, ob da etwas zusammenkommt, das eventuell zusammengehört.
Gemeinwohl-Ökonomie kurz erklärt
Entwickelt wurde das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie vor dem Hintergrund eines kapitalistischen Wirtschaftssystems, das auf Wachstum und Ausbeutung setzt. Im Gegensatz dazu lässt sich ein Unternehmen mit der Gemeinwohl-Matrix anhand von universellen Wertevorgaben, wie die Einhaltung der Menschenwürde, beleuchten. Diese Matrix wird von einem Team entwickelt und bei Bedarf aktualisiert. Die Gemeinwohl-Matrix fragt nach bspw. ökologischer Nachhaltigkeit, Kooperation und Solidarität mit Mitunternehmen, sozialer Haltung im Umgang mit Geldmitteln sowie Nachvollziehbarkeit und Partizipation auf allen Ebenen. Im Fokus steht der Mehrwert eines Unternehmens in den Bereichen Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit als auch Transparenz und Mitentscheidung.
Gemeinwohl-Ökonomie und Kulturbetriebe
Renate Obadigbo überprüfte ihre These, dass Kulturbetriebe sowohl von innen als auch von außen betrachtet von der Durchführung einer Gemeinwohl-Bilanz profitieren und zu einem gesellschaftlichen Wandel beitragen können, anhand von 12 Interviews. Ihre Gesprächspartner_innen waren Vertreter_innen von Kulturbetrieben, darunter das Volkstheater in Wien, die ARGEkultur Salzburg, KiG! Kunst in Graz und das Klangforum Wien. Zentrales Ergebnis ihrer Forschungsarbeit lautet, dass Kulturbetriebe bereits jetzt viele Faktoren der Gemeinwohl-Matrix erfüllen, diese jedoch nicht systematisch erfasst werden. Grund dafür, so das Ergebnis der Interviews, sind u. a. fehlende Ressourcen. Diese mangeln auch, wenn ein Kulturbetrieb die Überlegung anstellt, bei noch nicht ganz erfüllten Faktoren der Matrix, nachzubessern. Ein Beispiel: Druckwerke fallen in jedem Kulturbetrieb an. Nur welche Druckerei wird gewählt: Jene, die ökologisch druckt, noch dazu ein kleinerer regionaler Betrieb ist oder bei der Onlinedruckerei, die – überspitzt formuliert – um die Hälfte billiger ist und damit das nie ausreichende Budget nicht überstrapaziert?
Sich trotzdem einem Gemeinwohl-Audit oder einer Selbstprüfung anhand der im Internet kostenfrei verfügbaren Tools zu unterziehen, birgt Vorteile für den Kulturbetrieb. Zunächst lässt sich der Mehrwert von Kulturbetrieben anhand eines standardisierten Verfahrens abbilden – und dies nicht ausschließlich über Zahlen, sondern anhand ausformulierter Begründungen und deren anschließender Bewertung mit einer Punkteskala. Damit kann sowohl der Gesellschaft als auch der Politik ein transparenter Einblick in Betriebsabläufe geleistet werden; nicht zu vergessen, dass die Umsetzung gemeinwohl-ökonomischer Grundsätze auch intern für Transparenz und Nachvollziehbarkeit der innerbetrieblichen Haltungen und Handlungen sorgt.
Praktische Umsetzung ja – aber wie?
Soweit die Theorie, denn dass die praktische Umsetzung viele Fragen aufwirft, war vorherzusehen. Die erste kritische Nachfrage warf die Grundsatzdiskussion auf, warum ein Kulturbetrieb sich dieser Selbstprüfung unterziehen soll, wenn Förderinstitutionen und politische Vertreter_innen, von denen Kulturbetriebe finanziell abhängig sind, eine Gemeinwohl-Bilanz in ihren Förderentscheidungen nicht berücksichtigen. Noch dazu, da für Rechenschaftsberichte, Abrechnung und Budgeterstellung ja weiterhin konkrete Kennzahlen erfüllt und argumentiert werden müssen. Diese Problematik wurde auch in den Interviews von Renate Obadigbo angesprochen, die in ihrer weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema zu dem Schluss gekommen ist, dass hier ein Bottom-up-Effekt zu tragen kommen könnte. Das bedeutet dass durch die vermehrte Umsetzung eines Gemeinwohl-Audits von Kulturbetrieben die Politik dies als möglichen Benchmark wahrnimmt und es in weiterer Folge in Förderkriterien aufnehmen kann.
Doch wie grenzt sich die Gemeinwohl-Ökonomie von Corporate Social Responsibility (CSR) ab, das ja lange Zeit als das Tool für mehr Gleichheit und Gerechtigkeit galt, war eine der weiteren Nachfragen. Als einen wesentlichen Unterschied nennt Renate Obadigbo, dass es sich bei der Gemeinwohl-Ökonomie um ein umfassendes Wirtschaftsmodell handelt. Es bezieht Aspekte mit ein, die zusätzlich zur Wirtschaft auch in die Gesellschaft und Politik hineinreichen und dort wirken sollen. Die Gemeinwohl-Ökonomie beruft sich explizit auf Solidarität und Kooperation. Neiddiskussionen haben da keinen Platz, denn das Werteverhalten ist auf Vertrauen ausgerichtet. Zudem wird CSR in manchen Fällen leider als eine Form des Greenwashings benutzt, während mittels der Gemeinwohl-Ökonomie, die nicht auf Gewinnmaximierung ausgelegt ist, ein tatsächlicher Systemwandel angestrebt wird.
Das Schlagwort Systemwandel gab der bereits sehr lebhaften Diskussion beim Round Table des Instituts für Kulturkonzepte noch weiteres Feuer: Sind Kulturbetriebe denn prinzipiell interessiert daran sich für einen Systemwandel einzusetzen und diesen zu unterstützen, war eine der Fragen, und, dass dieser nur möglich ist, wenn Solidarität und Gemeinschaft auch von Kulturbetrieben vorgelebt werden, eine der Thesen. Ein Gedankenexperiment entwarf eine nach gemeinwohl-ökonomischen Grundsätzen agierende Bank, die als Finanzierungspartner in Form eines Sponsorings oder eines Kredits für Kulturbetriebe agiert, die ebenfalls nach der Gemeinwohl-Ökonomie handeln. Dass es schwer sein kann als erster Betrieb zu starten, war einheitlicher Tenor, den Renate Obadigbo mit dem Hinweis auf die bereits durchgeführte Gemeinwohl-Bilanz der ARGEkultur Salzburg aufmerksam machte. Ein Modellbetrieb, den ein solidarisch agierender Kulturbetrieb ja auch um Erfahrungsberichte fragen kann. Ein weiterer Gedanke aus der Diskussion stellte die mögliche Vergleichbarkeit von Kulturbetrieben und Unternehmen in den Fokus. Sind sowohl Kulturbetriebe als auch Unternehmen nach der Gemeinwohl-Matrix analysiert, lassen sie sich auf Augenhöhe und nach den gleichen Kriterien miteinander vergleichen.
Haltungsthema
Kulturbetriebe erfüllen durch ihre ideelle Ausrichtung bereits einige zentrale Kriterien der Gemeinwohl-Ökonomie, erfasst wurde dies bis jetzt aber nur von wenigen Kulturbetrieben in Österreich. Es ist eine Frage der Prioritätensetzung, war dazu eine Wortmeldung aus der Diskussion, während die Frage, wie die dazu notwendigen Ressourcen aufgestellt werden sollen, noch nicht beantwortet wurde. Doch warum es nicht einfach probieren? Den eigenen Kulturbetrieb ganzheitlich wahrnehmen, Aspekte beleuchten, die vorher nicht im Fokus waren als Unterstützung für den Systemwandel, wäre doch einen Versuch wert, eine Antwort von Renate Obadigbo.