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Tanja Praske
Kategorie: Der neue Kulturbetrieb „Man darf auch ruhig mal Fehler machen.“ Tanja Praske spricht über Social Media für Kultureinrichtungen 03.04.2017
Tanja Praske
Tanja Praske

Spezial zum Kulturmanagement Tag am 5. April 2017

Ein Beitrag von Ulli Koch 

Wenn es um digital-analoge Kulturvermittlung geht, vor allem um jene von Museen, ist Tanja Praske eine der ersten Ansprechpartnerinnen. Auf ihrem Blog “KULTUR – MUSEUM – TALK“, den sie selbst als Experimentierfeld betrachtet, schreibt sie über mögliche, erfolgreiche und auch mal gescheiterte Kommunikationsstrategien. Sie bleibt dabei neugierig und offen für neue Ideen. Im Gespräch geht sie näher auf den Nutzen von Social Media sowohl für BesucherInnen als auch für Kulturinstitutionen ein.

Welchen Nutzen hat der Einsatz von Social Media für Kultureinrichtungen?

Social Media bietet einen geeigneten Anhaltspunkt um Branding voranzutreiben und dieses Branding selbst in der Hand zu haben. Kultureinrichtungen bzw. spezifischer Museen werden darüber zum Self-Publisher. Das bedeutet je nach Social Media Kanal der bespielt werden soll, verschiedenen Content zu haben. Im Idealfall gibt es einen Blog, der das Herzstück der Social Media Aktivitäten ist, das heißt, von hier geht alles aus, hierhin kommt alles zurück. Das betrifft die Kommunikation und das Marketing.

Betrachtet man das Menschliche, für das „Social“ steht, dann bedeutet das die Chance, mit BesucherInnen in einen engen Austausch zu kommen. Im Idealfall hat das Verhalten der BesucherInnen eine Auswirkung auf neue analog-digitale Vermittlungskonzepte und Kommunikationsmaßnahmen. So erreicht man mehr Bindung ans Haus. Das Museum muss dabei aber zweierlei berücksichtigen: Erstens, Social Media ist kein Pressekanal. Das funktioniert nicht. Es gibt bereits zu viele Inhalte und Terminvorschläge, da selektieren die NutzerInnen sehr stark. Zweitens, eine Kultureinrichtung muss die BesucherInnen ernst nehmen, also nicht einfach nur als „Klick-Vieh“ betrachten.

SchoenerSchein
Den Video-Beitrag zur Ausstellung „Schöner Schein“ können Sie hier anschauen: http://bit.ly/2nbkbfO

Und welchen Nutzen hat es für BesucherInnen?

Es ist eine andere Möglichkeit sich mit Kultur vertraut zu machen. Vielleicht auch Kultur als einen eigenen wichtigen Lebensbestandteil zu begreifen. Das funktioniert natürlich nur, wenn das Museum den Transfer von seinem Auftrag Sammeln-Bewahren-Forschen-Ausstellen-Vermitteln hin zu den Fragen der Gegenwart schafft. Hat das Museum eine Antwort darauf? Oder kann es eine Plattform zum Austausch bieten? Kann es einen ethischen Diskurs eingehen? Ein Museum kann integrativ wirken, insofern es in der Gesellschaft verankert und Bestandteil von dieser ist. Museen müssen heute eine andere Rolle finden als jene, die sie vor zehn oder 15 Jahren eingenommen haben. Es geht darum, Verantwortung in der Gesellschaft zu übernehmen und diese Verantwortung einzufordern. Dazu zählt, dass BesucherInnen und ihre Fragen ernst genommen werden. Es geht nicht darum, von oben zu belehren bzw. belehrt zu werden.

Wie kann dieses „Ernstnehmen“ genau aussehen?

Das Museum muss auf die Bedürfnisse der Menschen eingehen. Es darf dabei gerne Bedürfnisse wecken. Es bietet unterschiedliche Zugänge zu den Werken an, die auf die jeweiligen BesucherInnen abgestimmt sind. Wichtig ist dabei, BesucherInnen mit Dingen oder Fragen aus der eigenen Wirklichkeit zu konfrontieren oder sie etwas vor Ort machen zu lassen, sprich interaktive Formate zu offerieren. Ein aktuelles Beispiel ist die Ausstellung „Schöner Schein“ im Deutschordensmuseum Bad Mergentheim: „Selfie-Stationen“ laden die BesucherInnen zum Mitwirken ein – ein spielerischer Zugang, um sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Für manche BesucherInnen endet das auf dieser Ebene, andere wiederum nutzen weitere Ebenen, die das Museum bietet, z. B. Materialien und Inhalte, die von zu Hause aus zugänglich sind. Über Social Media Kanäle kann der Kontakt zu den BesucherInnen gehalten werden. Hier wäre es wünschenswert, dass das Museum Reaktionen über die Social Media Kanäle ernst nimmt und darauf eingeht, also tatsächlich kommuniziert und Social Media nicht einfach als Werbekanal verwendet. Die Ausstellung „Like it“ im Essl Museum hat damals für Furore gesorgt. Da konnten die BesucherInnen vorab aus einer Vorauswahl die Ausstellung via Like zusammenstellen. Das ist ein guter Zugang, der zwar eher Kulturschaffende erreicht hat, aber es ermöglicht weiterzudenken, wie „normale“ BesucherInnen eingebunden werden können.

© Corinna Eigner
© Corinna Eigner

Kann durch den Einsatz von Social Media auch Community Building entstehen?

Klar. Wichtig dabei ist der Zusatz „analog-digitale Kulturvermittlung“. Fakt ist, das Digitale ersetzt nicht den realen Besuch. Es kann aber Lust darauf machen. Es kann Lust zum Nachdenken, auch im Netz, bewirken. Eine Community kann digital aufgebaut werden, nachhaltig wird sie aber erst im Analogen. Das kann über Tweetups, Tweetwalks, Instawalks, Community-Abende oder -Treffen geschehen, bei denen man im Anschluss einer Führung mit Menschen zusammen an einem Tisch sitzt und über Gedanken, Ideen sowie die Ausstellung oder über diese hinaus spricht. Wenn das Museum da mitwirkt, wird der Zusammenhalt enger. Die Menschen sprechen im Netz so oder so über das Haus, über eine Ausstellung. Die Frage ist nun, möchte sich das Museum da einschalten, moderieren oder mitdiskutieren? Macht es letzteres, dann kann es eine Community aufbauen. Kann es das alleine nicht leisten, dann mögen VermittlerInnen dabei helfen. Sie bringen ihr Netzwerk mit oder coachen das Museum dabei, wie eine analog-digitale Führung erfolgreich ist, je nachdem welcher Kanal im Vordergrund stehen soll.

Das bedeutet zu überlegen, welches Medium möchte ich bespielen und dementsprechend die Vermittlung aufstellen.

Genau. Und man darf auch ruhig mal Fehler machen, man sollte nur daraus lernen. Eine Instagram-Gruppe so zu führen, wie man eine reguläre Gruppe mit 45-minütigen Vortrag führt, das funktioniert nicht. Sie haben einen anderen Fokus, es geht um das perfekte Bild, das muss sich die Institution bewusst sein. Eine Führung für BloggerInnen, TwittererInnen und SnapchatterInnen sieht wieder ganz anders aus. Bei allen analog-digitalen Vermittlungsformaten ist es wichtig, Hashtags festzulegen. Das sehen Andere im Web, vielleicht wird darüber ihre Lust auf einen Museumsbesuch geweckt.

Was waren bis jetzt Ihre größten Aha-Erlebnisse?

Das größte Aha-Erlebnis hatte ich, als ich mich noch gar nicht so intensiv mit dem Digitalen auseinandergesetzt habe. Mich zwitscherte einmal jemand während eines Vortrags an, ich war fassungslos, schließlich sollten wir doch dem Vortrag zuhören. Doch über diesen Austausch im Netz haben sich dann ganz andere Diskussionen entwickelt, eine Parallelkonferenz entstand. Das war für mich ein Aha-Erlebnis, wie etwas Analoges ins Netz hineingebracht und transformiert wird. Manchmal – und das ist so ein Aha-Erlebnis – kann ich in Workshops SkeptikerInnen von der digitalen Kulturvermittlung überzeugen, die dann eigene Ideen entwickeln. Aber das ist nicht immer dauerhaft, denn es kommt auch mal zu Blockaden – vom Management – und Ideen werden wieder zurückgedreht. Digitale Kommunikation darf kein Lippenbekenntnis sein. Sie muss in einer transparenten Strategie eingebettet sein, die von oben kommt und gemeinsam – das ist wichtig – mit den MitarbeiterInnen entwickelt werden. Es dürfen ruhig mal Fehler gemacht werden. Wenn das jemand darf, dann Kulturinstitutionen. Sie müssen aber anschließend damit offen umgehen.

Was sind weitere Herausforderungen?

Es geht darum Geschichten zu erzählen. Über das Geschichtenerzählen emotionalisiert das Museum und schafft so Berührungspunkte und Bindung zum Haus. Wünschenswert ist der Austausch der Museen untereinander. Sich gegenseitig zu helfen, sich auszutauschen, was bei wem funktioniert bzw. nicht funktioniert hat, ist sehr wichtig. Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Social Media sowie analog-digitale Kulturvermittlung muss von allen mitgedacht werden, das heißt der Prozess geht sowohl von oben nach unten als auch umgekehrt von unten nach oben aus, erst dann ist er nachhaltig erfolgreich. Digitale Kulturvermittlung ist auch kein Selbst- und Schnellläufer, sondern bedarf einen langen Atem – aber es lohnt sich!

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3 Kommentare

  1. Marlene , 10:17 Uhr

    Liebe Tanja,
    ganz lieben Dank für dein Lob, positive Reaktionen bestärken uns in unserer Arbeit. Bei vielen Social Media-Projekten weiß man ja am Anfang noch nicht wie sie ankommen und wo sie hingehen. Man sollte schon richtig Lust darauf haben, wie das bei unserem Kinderblog auch der Fall ist.
    Ich muss dir recht geben, als Leser im Blogbereich und als „Verfolger“ von zahlreichen Museen in den sozialen Medien: Wenn ich etwas kommentiere, rezensiere, über ein Museum schreibe und es dabei tagge (z.B. auf Facebook, im Blog, auf Twitter) und dann kommt Null Reaktion, dann sinkt mein Interesse für das Haus. Dann habe ich das Gefühl, es wird keinen Wert darauf gelegt, was die Besucher denken. Kommt stattdessen eine kurze Rückmeldung, bleibt das positiv im Gedächtnis. Interaktion mit den Besuchern sollte also als wichtiger Teil der Social Media-Arbeit begriffen werden.
    Manche Kollegen werden diesen „Druck“ dann vielleicht als Abschreckend empfinden. Es ist oft aber so, dass man auch ohne eigenen Social Media-Auftritt schon im Netz vertreten ist – sei es als automatisch erstellte Facebook-Seite, auf der Besucher das Haus bewerten, als Trip Advisor-Ziel oder als Google-Seite, wo Besucher Kritiken abgeben. Wenn man sich dann dort anmeldet und auf die Kommentare reagiert, kann man negatives Feedback z.T. durch eine überlegte, höfliche Reaktion etwas abfedern oder vielleicht auch mit den Leuten ins Gespräch kommen. Überhaupt finde ich, so bitter es manchmal vielleicht ist, dass man den Leuten zuhören sollte. Vielleicht ist die Ausstellung ja wirklich zu textlastig oder vielleicht ist der für die Mehrzahl der Leute interessanteste Teil der Dauerausstellung ja wirklich zu knapp in der Ausstellung vertreten? Das nur als Beispiele.
    Liebe Grüße,
    Marlene

  2. Marlene , 11:08 Uhr

    Hallo Tanja, hallo liebes Team von Kulturkonzepte,
    das Interview enthält ein paar wirklich interessante Konzepte. Oft wird Social Media ganz einfach als ein Teil der Kommunikationsstrategie einer Einrichtung gesehen. Eigentlich geht es aber darüber hinaus, denn Social Media gehört genauso zur Vermittlungsstrategie eines Hauses. Hier entsteht genauso direkter Kontakt zum Besucher (wenn man sich darauf einlässt) wie direkt vor Ort in einer Führung oder einem Workshop oder was man sonst so anbietet. Und mit Museen, mit denen ich erst einmal persönlich ins Gespräch gekommen bin, fühle ich mich auch eher verbunden, kann ich aus eigener Erfahrung sagen. Dafür muss das Museum auch nicht in der unmittelbaren Nachbarschaft liegen. Zum Beispiel habe ich letztes Jahr das Gefängsnismuseum Horsens in Jütland nur besucht, weil ich mich auf Instagram und Twitter gut mit denen unterhalten habe. Und dieses Jahr möchte ich endlich nach Skagen (ebenfalls Jütland), denn mit dem Museum bin ich auch schon oft ins Gespräch gekommen. Und in eigener Sache: Im Museum Burg Posterstein ist vor einiger Zeit unser Kinderblog angelaufen bzw. beantworten wir die inzwischen über 50 Fragen von Kindern auch direkt per Mail oder Brief. Gerade dieser direkte persönliche Kontakt wird von den Besuchern hoch geschätzt. Wir haben teilweise schon Dankesbriefe von Kindern bzw. deren Großeltern erhalten. In die geplante Kinderausstellung ab 1.10. werden diese Fragen dann so eingebaut, dass hoffentlich viele junge Besucher davon profitieren.
    Viele Grüße,
    Marlene

    1. Liebe Marlene,

      ja, da stimme ich dir von ganzem Herzen zu. Ich habe es nie als reine Marketing-/Kommunikationsstrategie begriffen. Für mich ging es immer um die Inhalte und wie diese einprägsam und berührend vermittelt werden können. Ich fühle mich ebenso mit Häusern verbunden, zu denen ich eher Kontakt im Social Web habe und suche sie dann sehr gerne auf. Große Häuser, die einen fetten digitalen Apparat haben (soll’s ja auch geben ;-)) sind in m.A. zwar ganz nett, sie erreichen auch über ihre Formate einiges, nur reizen sie mich kaum, wenn sie nicht auch im Social Web reagieren und damit meine ich nicht nur irgendwelche Favs. Als Bloggerin überzeugen sie mich nicht, schreibe ich über sie, dann nur weil mich die Kunst zu sehr ansprach und ich dann das persönliche Gespräch mit dem/der KuratorIn gesucht habe. Ab dem Moment sind sie für mich greifbar und ich habe eine gewisse Verbindung zu ihnen.

      Sprechen wir über eine digitale Strategie umfasst das grundsätzlich die Vermittlungsstrategie und die damit verbundenen Zielen. Nur manchmal wird’s dann recht marketinglastig, da hier die Überzeugungsarbeit dann besser funktioniert, Zahlen können erwirtschaftet werden, die beeindrucken. Mich beeindruckt dabei eher die Community, die analog wie digital aufgebaut wird. Das Beispiel mit eurem Kinderblog verdeutlicht das sehr gut. Vor allem zeigt es eines, zwar gedacht für Kinder – die zukünftigen Besucher – aber auch die Eltern und Großeltern erwischt. Das nenne ich mal eine sehr gelungene Vermittlungsarbeit. Gleichzeitig wird es euch bereichern in neuen Formaten, die ihr aus diesen Feedbacks heraus auch entwickelt. Das ist das, was ich meinte: digital und analog funktionieren am besten verzahnt miteinander.

      Wünsche dir da viel Erfolg, macht weiter so – ich empfehle euch in Workshops immer wieder gerne,weil ihr bei allem mit Herzblut, Durchhaltevermögen und Authentizität dabei seid – ihr meint es für euch ehrlich – es geht um die Kunst & Kultur!

      Alles Gute!
      Tanja

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