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Haupttreppe des Kunsthistorischen Museums Wien
Haupttreppe Foto: ©KHM-Museumsverband
Kategorie: Der neue Kulturbetrieb Recruiting im größten Museum Österreichs – 6 Fragen an Dr. André Alvarado-Dupuy (KHM-Museumsverband) 17.09.2018

Ein Beitrag von Martina Brunner in Kooperation mit Kulturmanagement Network

Dr. André Alvarado-Dupuy ist Leiter für Personal und Organisation des KHM-Museumsverbands (Kunsthistorisches Museum Wien, Weltmuseum Wien, Theatermuseum Wien, Schloss Ambras Innsbruck). Wir haben ihn zum Thema Recruiting befragt und wollten wissen, wohin sich in seinen Augen der Prozess und der Umgang mit potentiellen MitarbeiterInnen entwickeln werden.

 

Was sind aktuelle Themen und Faktoren, die Sie im Recruiting-Prozess beim KHM-Museumsverband beachten?                                                                  

Der KHM-Museumsverband arbeitet aus guten Gründen überwiegend mit Eigenpersonal und hat derzeit ca. 700 MitarbeiterInnen. Das gesamte Beschäftigungsausmaß entspricht ca. 450 Vollbeschäftigten. Dementsprechend groß ist auch das Volumen und die fachliche Bandbreite des Recruitings. Ausgangspunkt ist immer das Anforderungsprofil. Wenn wir die wichtigsten Mitarbeiter-Gruppen heranziehen, sehen wir große Unterschiede für das Recruiting. Im Guest Service (Besucherbetrieb mit Aufsicht, Kassen etc.) gibt es z.B. ein klares Profil von Tätigkeit und Anforderung. Ein bis zwei Termine reichen aus, um festzustellen, ob die Grundhaltung der Person mit der Besucherorientierung im Sinne unseres ECHOCAST-Standards übereinstimmt. Außerdem klärt das Vorstellungsgespräch, ob die Person mit der entsprechenden digitalen Umgebung umgehen kann und die Sprachkenntnisse in Deutsch und Englisch ausreichen.

Sehen wir uns dagegen die klassischen Museumsberufe wie z.B. KuratorIn oder RestauratorIn an, dann wird der Prozess deutlich schwieriger. Hier sind die Profile teilweise im Fluss (FachkustodIn vs. Themen- und AusstellungskuratorIn) oder stark stellenabhängig (Mix der Komponenten Handwerk, Administration und Wissenschaft bei RestauratorInnen).

Nur mit der umfangreichen Vorbereitung zwischen Fachbereich und Human Resource Bereich, wo alle Rahmenbedingungen von Markenkompatibilität über detailliertes Job Assignment bis hin zu den social skills eingehend besprochen werden, gelingt eine erfolgreiche Auswahl. Ein wichtiger Aspekt beim Recruiting ist auch das Employer Branding mit seinen verschiedenen Dimensionen (z.B. Marken unserer Museen, familienfreundliche Arbeitsumgebung, betriebliche Gesundheitsaktivitäten). Sorgen macht mir die Gender-Situation in einigen Berufsgruppen: beim Recruiting von RestauratorInnen oder VermittlerInnen nähern wir uns immer mehr der VolksschullehrerInnen- oder KindergärtnerInnen-Situation mit 100% Frauen in den short lists.

Wie gewinnen Sie neue Talente, die den Anforderungen der Zukunft gewachsen sind, Aufgaben anders angehen, Strukturen aufbrechen?

Bei der Auswahl von MitarbeiterInnen, die in Linienfunktionen eingesetzt werden, achten wir natürlich immer darauf, wie weit Qualifikation und Berufserfahrung Potenziale anzeigen. Nach meiner Erfahrung ist es eine Illusion, notwendige Änderungen durch das einfache Einpflanzen neuer Linien-MitarbeiterInnen herbeizuführen.

Wenn es Änderungen geben soll, werden natürlich solche Talente dringend gebraucht. Aber zuerst muss es „oben“ ein entsprechend nachhaltiges Engagement für Innovation oder Change geben. Dafür wird allerdings zuvor die entsprechende Aufbauarbeit benötigt, die die MitarbeiterInnen über positive Karriereverläufe vorbereitet hat. Sie müssen neue Verantwortungen übernehmen wollen. Dafür benötigt es eine Arbeitsorganisation, die den MitarbeiterInnen bereits im Vorfeld Arbeitsformen in flexiblen Teams und ein entsprechendes Empowerment gelehrt hat.

Bei großen Vorhaben von Innovation oder Change kann es wichtig sein, neue Führungskräfte für die Umsetzung heranzuziehen. Hier ist im Recruiting sicher die Beiziehung eines Personalberaters sinnvoll. Einen direkten Konnex zwischen Recruiting und Innovation/Change sehe ich daher nur bei Führungskräften. Eingeschränkt auch im Bereich der Vermittlung, mit seiner großen innovatorischen Kraft – dort können sich MitarbeiterInnen in einem besonderen Freiraum schneller profilieren. Ich muss sie dann aber auch in andere Bereiche wandern lassen.

Haupttreppe des Kunsthistorischen Museums Wien
Haupttreppe
Foto: ©KHM-Museumsverband

Wodurch zeichnet sich aus Ihrer Sicht professionelles Recruiting aus?

Professionelles Recruiting zeichnet sich eindeutig durch die an Human Resource übertragene Steuerung und Begleitung durch professionelle RecruiterInnen, durch gut überdachte Prozesse und klare Kommunikation aus. Das sieht man z.B. an der Formulierung der Stellenausschreibungen, an der Überlegung, auf welchen Plattformen ausgeschrieben wird, an der Kreativität bezüglich des Umgangs mit den Vorstellungsaktivitäten, an der von Leitfäden des Human Resource Bereichs strukturierten Arbeit der Jurys oder Assessoren usw..

Natürlich gehört dazu, dass jede Bewerbung für eine ausgeschriebene Position beantwortet wird und dass auch mit den nicht erfolgreichen BewerberInnen wertschätzend umgegangen wird. Es ist auch wichtig, dass ein Feedback bei internen nicht zum Zug gekommenen BewerberInnen gegeben wird und selbstverständlich ist. Bei einem strukturierten Prozess, kann die/der ausgewählte KandidatIn von der Linienorganisation ordentlich übernommen werden.

Entscheidend ist für professionelles Recruiting die optimale Einbindung des Recruiters/der Recruiterin in die Museumsorganisation. Denn es braucht beides: das spezielle Wissen von Tools, Profiling etc. UND das richtige Bild über die Personalbedarfssituation.

Für uns ist die wichtigste Frage, wie wir in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit im Bewerbungsprozess das gegenseitige Kennenlernen möglichst gut vertiefen können, um die richtige Person zu finden.

Der KHM-Museumsverband ist die größte Museumseinheit Österreichs. Welche Herausforderungen bringt dieser Umstand für das Recruiting mit sich?

Qualität UND Quantität – das ist unser Schicksal. Oft erhalten wir hunderte Bewerbungen, für eine Stelle im Sekretariat und natürlich auch für eine KuratorInnen-Stelle. Trotz klarer Stellenausschreibungen entspricht ein hoher Anteil von Bewerbungen nicht den darin angeführten Anforderungen. Der Aufwand für Human Resources wird dadurch sehr hoch, die Ausbeute bleibt im Verhältnis aber nur gering. Es gibt natürlich auch viele spannende BewerberInnen, die wir zu Gesprächen einladen. Die passenden Personen finden wir meistens immer innerhalb eines Monats. Nur sehr selten müssen wir die Ausschreibungsdauer verlängern bzw. erneut suchen. Manchmal ist die Vorauswahl auf 10-20 Personen „nach der Papierform“ das eigentliche Dilemma.

Die Nichtvalorisierung der staatlichen Basisabgeltung und die Budgeteinhaltung zwingt uns zu sehr großer Zurückhaltung bei den Gehaltsangeboten. Unsere Kollektivvertragsgehälter passen für den besonderen Arbeitsmarkt des spezifischen Museumsbereichs, sie sind aber teilweise weit vom allgemeinen Arbeitsmarkt entfernt.  Dieser spielt z.B. eine wesentliche Rolle beim Recruiting einer Buchhaltungskraft. Teilweise kämpfen wir auch noch 20 Jahre nach der Ausgliederung mit dem falschen Mindset der „geschützten Werkstätte“. Dabei liegt die Verantwortung beim Recruiting, die Aufnahme von KandidatInnen mit solch realitätsfremden Erwartungen zu vermeiden.

Arbeiten Sie mit außergewöhnlichen Recruiting-Methoden, die Sie Ihren KollegInnen in anderen Kulturbetrieben empfehlen können? Welche sind das beispielsweise?

Ich sehe mich eigentlich nicht in der Lage, solche Empfehlungen auszusprechen. Dafür sind die Unterschiede doch zu groß. Ich sehe die Kulturbetriebe auch nicht als Vorreiter im Recruiting.

Wir haben für uns gelernt, kompromisslos zu sein, wenn wir Anforderungen stellen. Wenn wir z.B. ein Motivationsschreiben verlangen und es gibt keines oder es ist ein nicht arbeitsplatzbezogenes, dann ist das für uns ein No-Go – ebenso wie nur „Kunst und Kultur begeistert“ zu sein. Insgesamt halten wir uns an eine einfache Regel, die ich schon erwähnt habe: Wie können wir in sehr kurzer Zeit eine intensive Verbindung zwischen KandidatIn und künftigem Museumsarbeitsplatz herstellen? Diese Frage führte zu verschiedenen Lösungen. Eine bewährte ist der „Schnuppertag“ mit anschließendem Gespräch über die KandidatInnenwahrnehmungen. Eine andere ist das Einfordern von Ideenpapieren zu konkreten Aufgabenstellungen und anschließender Diskussion mit der Jury.

Ein für uns besonders wichtiger Aspekt ist, theoretisch-virtuelle Lösungen (wie etwa: „Wie wollen Sie das machen? Wie sieht Ihre Lösung aus?“ etc.) auch immer mit der Persönlichkeit und den Lebenserfahrungen der KandidatInnen abzugleichen. Dabei wenden wir gerne die STAR-Interviewmethode an. Es wird z.B. nach einer großen Herausforderung gefragt und dabei soll die Situation genau beschrieben werden, was die Aufgabe war, was der Kandidat tatsächlich gemacht hat und was das Ergebnis war.

In welche Richtung wird sich Ihrer Meinung nach das Recruiting allgemein in den nächsten Jahren entwickeln? 

Vom allgemeinen Arbeitsmarkt gesehen kommen Bewerbungssysteme mit systembasierter Vorauswahl und automationsunterstütztem Profiling. Ob die Antidiskriminierungspolitik bald nur mehr anonymisierte Lebensläufe zulassen wird, kann ich nicht einschätzen. Ich halte das, abgesehen vom ehrenwerten Vorsatz, für realitätsfremd. Wir versuchen, in diesen heiklen Punkten (Gender, Alter, Aussehen) beim Recruiting durch breitere Jurys bzw. zusätzliche Assessoren gegenzusteuern und fahren dort, wo es von den Aufgabenstellungen gut passt, also z.B. im Guest Service, mit viel Erfolg auch eine Politik von 50-plus-Anstellungen.

Porträt von Dr. André Alvarado-Dupuy
Dr. André Alvarado-Dupuy, Foto: Daniel Hinterramskogler

Dr. André Alvarado-Dupuy ist Leiter Personalmanagement & Besucherdienst des KHM-Museumsverbands (Kunsthistorisches Museum Wien, Weltmuseum Wien, Theatermuseum, Schloss Ambras Innsbruck). Er studierte Recht und war zuvor bei ÖBB-Postbus GmbH als Personalleiter tätig.

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