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Ein Beitrag von Andrea Zsutty
Das Jahr 2019 ist ein freudiges für das Institut für Kulturkonzepte: 25 Jahre werden gefeiert! Dass der Lehrgang Kulturvermittlung bereits seit 12 Jahren als zentrales Aus- und Weiterbildungsangebot am Institut verankert ist, sehe ich als große Bestätigung und motiviert mich, mit unseren Themen und Methoden weiterhin zukunftsweisend zu arbeiten.
Ein weiteres, wichtiges Jubiläum wird heuer begangen: Vor 120 Jahren wurde das weltweit erste Kindermuseum, das Brooklyn Children’s Museum, in New York eröffnet. Dies möchte ich zum Anlass nehmen, einen Blick darauf zu werfen, was zeitgemäße Museums- und Vermittlungspraxis aus den Erfahrungen der Kinder- und Jugendmuseen lernen kann.
Pssst! Codes und Rituale
Ich möchte ein Erlebnis schildern, das verdeutlicht, in welchem Handlungsraum wir uns als KulturnutzerInnen oft befinden. Ein klassisches Konzert in einem traditionellen Musiksaal, vorwiegend interessiertes Publikum, das mit dem Werk vertraut ist – soweit ein bekanntes Setting. Im Saal befindet sich ein Kind, das zu klatschen beginnt, nachdem die MusikerInnen den ersten Satz beendet hatten. Sofort wird mit einem „Pssst“ die Beifallshandlung unterbunden. Die als allgemein bekannt vorausgesetzte Vereinbarung über einen bestimmten Verhaltenskodex ist dem Kind weder geläufig, noch ist ihm bewusst, dass dieser überhaupt existiert. Diese Szene ist in ähnlicher Weise ebenso denkbar in Museumsräumen, Theaterhäusern oder Literaturstätten mit AkteuerInnen jeden Alters.
Und genau an diesem Punkt kann ein Gestaltungsprozess einsetzen, wenn wir darüber nachdenken, wie wir unsere Kulturinstitutionen zu attraktiven und sozialen Orten für Menschen aller Altersstufen und aller sozialen und kulturellen Schichten machen. Welche Codes brauchen wir überhaupt? Was, wenn tradierte Verhaltensweisen verändert oder verworfen werden? Droht dann wirklich der Untergang unseres kulturellen Erbes? Oder eröffnet sich dadurch eine Chance auf eine Neuverhandlung, mit dem Ziel eine tragfähige Beziehungsebene zwischen Institution und Publikum herzustellen? Kinder- und Jugendmuseen zeigen schon lange, wie Niederschwelligkeit auf hohem Niveau praktiziert werden kann. Lernen wir von diesen Museen, wo „richtig“ und „falsch“, in Hinblick auf die Rezeptionsmöglichkeiten, keine zwingenden Kategorien sind. Lernen wir von diesen Museen, wo Teilhabe, eigenes Erfahren und Erleben Grundvoraussetzungen in der Konzeption darstellen. Lernen wir von Museen für Kinder und Jugendliche und versuchen wir, das Transferpotential, das in ihnen liegt, für alle Kulturinstitutionen zu nutzen.
Vorbildwirkung Kinder- und Jugendmuseen
Entscheidende Diskussionen werden im Kulturbereich darüber geführt, wie sich Diversität, Interkulturalität, Teilhabe und Inklusion in der Kommunikation mit den Menschen und in der Programmgestaltung von Kulturinstitutionen abbilden können. Kinder- und Jugendmuseen, wie das ZOOM Kindermuseum in Wien, stellen mit ihren Expertisen hierfür fruchtbare Lehr- und Lernfelder dar, denn Kinder und Jugendliche stehen gesellschaftlich genau inmitten dieser Kreuzungspunkte. Das Bedürfnis nach individuellem Erleben und Erfahren ist aber nicht nur ein Merkmal junger BesucherInnen. In Zeiten, wo Individualismus als wichtiger Wert angesehen wird und der Begriff der Selbstverwirklichung immer umfassender verstanden wird, wollen Menschen direkte Erfahrungen machen. Das eigene Erleben rückt vermehrt ins Zentrum des Interesses. Der Begriff „Infotainment“ erscheint dabei oftmals als Schlüssel, um Zugänge zu scheinbar schwierigen Inhalten zu erhalten. Grundlegendes Element einer jeden zeitgemäßen und reflektierten Museums- und Vermittlungsarbeit ist stets die Auseinandersetzung mit Modellen des lebenslangen Lernens. Dies geschieht im Sinne von Erfahrungen machen, Neugierde wecken und erhalten und die eigene Motivation stärken, um sich selbständig mit (neuen) Inhalten zu beschäftigen. Unterhaltung und Information verbinden sich dabei ganz selbstverständlich zu einer natürlichen Einheit.
Nahezu jede Kulturinstitution in Österreich verfügt mittlerweile über spezielle Programme für Kinder und Jugendliche. Nicht nur, um das viel zitierte und hoffnungsvoll aufgeladene „Publikum von morgen“ an sich zu binden, sondern vermehrt auch mit der Erkenntnis gepaart, dass Kinder und Jugendliche bereits das Publikum von heute sind – über die auch weitere, erwachsene Publikumsgruppen erreicht werden können. Wesentliche Unterschiede bestehen allerdings zwischen Kulturinstitutionen, die in erster Linie als Institutionen für Erwachsene konzipiert wurden und sich nachträglich durch gezielte Angebote an Kinder und Jugendliche wenden, und jenen Einrichtungen, die von Beginn an auf Kinder und Jugendliche als zentrales Publikum ausgerichtet sind. Während die einen oft noch am Aufbrechen alter, tradierter Strukturen arbeiten, zeigen die anderen bereits Möglichkeiten und Wege auf, wie eine zeitgemäße Aufbereitung von Inhalten aussehen kann. Aktive, selbständige und eigeninitiativ handelnde NutzerInnen von Kultureinrichtungen brauchen direkte Kommunikationsangebote und ernst gemeinte Einladungen zur Teilhabe. Deutungshoheit und Hierarchien müssen seitens der Institutionen abgegeben und abgebaut werden. Wenn dies als verbindliche Basis für ein wertschätzendes und fruchtbares Miteinander angesehen wird, erreichen wir die Menschen, die wir zu unseren Angeboten einladen wollen. Wird diese Basis jedoch nicht geschaffen, verlieren die Kulturinstitutionen den Kontakt zu den BesucherInnen von heute und werden das Publikum von morgen erst gar nicht erreichen.
Lernen wir daher von den Errungenschaften, die im Bereich der Kinder- und Jugendmuseen* bereits erzielt wurden und entwickeln wir daraus Visionen für neue Wege der Beteiligung von möglichst vielen Menschen an Kunst und Kultur.
*Kindermuseen weltweit: Association of Children’s Museum, Vereinigung europäischer Kindermuseen
Andrea Zsutty ist Kunsthistorikerin und widmet sich seit 1996 der Kunstvermittlung. Im Bank Austria Kunstforum leitet sie die Abteilung für Kunstvermittlung, im Institut für Kulturkonzepte ist sie Lehrgangsleiterin für Kulturvermittlung, wo sie auch seit vielen Jahren unterrichtet. Als selbständige Kunst- und Kulturvermittlerin war sie in verschiedenen Ausstellungshäusern und Museen tätig, wie dem Palais Harrach, der Generali Foundation, dem Kunsthaus Köflach sowie dem KUNSTHAUSSUDHAUS Villach. Außerdem ist sie Redakteurin für diverse ORF TV-Formate.
Die nächsten Seminare mit Andrea Zsutty sind Grundlagen der Kulturvermittlung (1.-2. März 2019) und Vermittlungsprojekte (5.-6. April 2019). Melden Sie sich bei Interesse rasch an – die TeilnehmerInnen-Anzahl ist begrenzt!