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Ein Beitrag von Christian Henner-Fehr
Vor einigen Wochen warnte Gabriele Wittmann hier in diesem Blog vor der „Ökonomisierung der Kultur“. Kultur dürfe nicht „durchökonomisiert“ werden, weil die Kulturarbeit andere Abläufe, andere Werte und andere Kriterien als die betriebswirtschaftlich durchrationalisierte Warenwelt habe, schrieb sie.
Ich habe mit solchen Warnungen ein Problem, denn erstens sind es unsere Werte und nicht die einer kulturellen und einer Warenwelt. Wir wechseln unsere Werte nicht an jeder Türe, sondern eignen sie uns über meist recht lange Zeiträume an. Zweitens finde ich es gefährlich, ökonomische Aspekte außen vor zu lassen, wenn es um Kunst und Kultur geht. Schließlich leben all die Menschen, die in diesen Bereichen arbeiten, in einer durchwegs nach ökonomischen Kriterien ausgerichteten Welt und müssen wie alle anderen ihr tägliches Leben finanzieren. Dass die Beträge, die ihnen dafür zur Verfügung stehen, oft nicht ausreichen, wissen wir alle.
Natürlich lassen sich künstlerische Inhalte entwickeln, ohne nach einem möglichen Gewinn zu schielen, aber wem sind Menschen, die sich mit den Ergebnissen der künstlerischen Arbeit auseinandersetzen oder sich unterhalten lassen wollen, völlig egal? Spätestens an dieser Stelle kommt für mich unternehmerisches Handeln ins Spiel. Unternehmerisches Handeln heißt, auf Rahmenbedingungen hinzuarbeiten, um die Inhalte bestmöglich realisieren zu können und dafür zu sorgen, dass sie ihre angestrebte Wirkung entfalten.
Noch einen Schritt weiter ist Brüssel mit dem neuen Förderprogramm „Creative Europe“ gegangen. Wurden mit den Vorgängerprogrammen hauptsächlich künstlerische Projekte kofinanziert, geht es jetzt eher um die Schaffung von „intelligentem, nachhaltigem und integrativem Wachstum und dementsprechend um einen Beitrag von Kunst, Kultur und Kreativwirtschaft zur Ankurbelung der Wirtschaft und daraus resultierenden neuen Arbeitsplätzen. Ob das auf diesem Weg gelingt, bezweifle ich, schließlich lebt und arbeitet der Großteil der Akteure in diesen Bereichen in prekären Verhältnissen bzw. ist davon bedroht. Überraschend kommt die kommerzielle Ausrichtung der Kulturförderung nicht, Jeremy Rifkin hat diese Entwicklung in seinem Buch “Access” bereits vorweggenommen, in dem er von einer “neuen Ära des kulturellen Kapitalismus” spricht, in der wir kulturelle Ressourcen in “Erlebnisse und Vergnügungen (verwandeln), die käuflich zu erwerben sind”.
In eine ähnliche Richtung geht Gernot Wolfram, der gemeinsam mit Raphaela Henze das Buch “Exporting Culture” herausgegeben hat und in seinem darin enthaltenen Beitrag “The Weak and the Strong Term “European Arts Project’ – Potential and Lack of Self Consciousness within Cultural Structures on the Continent” erklärt, warum die Europäische Union nun nicht mehr nur Kunst und Kultur fördert, sondern auf die Kreativwirtschaft setzt.
Kreativität sei zum Bindeglied zwischen den zwei Bereichen Wirtschaft und Kultur geworden. Dahinter stecke, so Wolfram, der Wunsch, die Kreativität der wirtschaftlich agierenden Unternehmen auf die Kunst zu übertragen und die Künstler dazu zu bringen, sich mit dem wirtschaftlichen Potenzial ihrer künstlerischen Ideen zu beschäftigen. Am Ende fließe die dann in wirtschaftliche ausgerichtete Produktionen, von den dabei entstehenden Innovationen profitiere dann wiederum die Wirtschaft, so die Logik. Für Wolfram, der Professor für Kultur- und Eventmanagement in Berlin ist, eine paradoxe Situation, denn auf der einen Seite nutzen Wirtschaft und Politik das Vokabular aus dem Kunst- und Kulturbereich, um neue produktive und effiziente Ansätze zu entwickeln und so die Wirtschaft anzukurbeln. Auf der anderen Seite verliert die künstlerische Tätigkeit an Relevanz, der Künstler wird zum Unternehmer.
Deshalb wird im Rahmen von “Creative Europe” der wirtschaftliche Erfolg höher bewertet als künstlerische und ästhetische Aspekte. Damit einher geht die von Rifkin schon angekündigte Kommerzialisierung kultureller Bereiche, in dem nicht die klassischen Stätten der Hochkultur, sondern die Unternehmen der Kreativwirtschaft an Bedeutung gewinnen, weil sie viel eher in der Lage zu sein scheinen, Events und emotionale Erlebnisse anzubieten, für die wir uns als Konsumenten mehr interessieren als für die „anstrengende“ Kunst.
Die Frage ist, wie wir als Gesellschaft auf diese Entwicklung reagieren? Vertrauen wir den Kräften des Marktes und den Wünschen der Kunden, wie es in den USA schon lange Praxis ist oder soll die Kulturpolitik die “anstrengende” Kunst unterstützen, weil wir der Überzeugung sind, dass diese einen Wert für uns hat? Die vielen Förderprogramme beweisen, dass wir uns bis jetzt eher für die zweite Variante entschieden haben. Stiftungen und Kulturpolitik verstanden sich, so schreibt Wolfram, bis jetzt als Partner der Kunst und nicht als Mittler zwischen Kunden und marktrelevanten Produkten.
Wenn wir den nichtkommerziellen Bereichen von Kunst und Kultur einen gesellschaftlichen Mehrwert beimessen, dann müssen wir sie auch als Gesellschaft entsprechend finanzieren. Aber die Konkurrenz ist groß und wer sich gegenüber den anderen durchsetzen möchte, wird nicht umhinkommen, sich verschiedener Ansätze aus dem Wirtschaftsbereich zu bedienen. Schließlich winkt im Erfolgsfall auch ein Einkommen, das es erlaubt, den Lebensunterhalt zu finanzieren. Für den Kunst- und Kulturbereich ist das leider noch nicht die Regel.
Christian Henner-Fehr ist Kulturberater und -manager (CHF Kulturmanagement), freier Journalist im Bereich New Economy, Informationstechnologie und Neue Medien und Mitbegründer der stARTconfernence (Social Media); Christian Henner-Fehr ist Dozent am Institut für Kulturkonzepte zu den Themen Social Media und Projektplanung;
Da ich auch denke, dass wir es un zu einfach machen, wenn wir versuchen Kunst und Ökonomie klar voneinander zu trennen, ein gedanklicher Anschluss zu diesem schwierigen Verhältnis aus einer stärker Kulturmanagement orientierten Perspektive: http://www.l5ogbuch.com/blog/kulturmanagement/2015/4/25
Ja, das stimmt natürlich, aber die Frage ist doch jetzt, wie dieses „neue“ Management nun aussieht? 🙂
Ganz genau, das ist die Frage 🙂 Und deshalb ist es gut und wichtig, dass sowohl in der Praxis an einigen Stellen das aktuelle Verständnis des KM hinterfragt und neu definiert wird und auch wissenschaftlich genau diese Frage vielfältig diskutiert wird (Bspw: http://www.fachverband-kulturmanagement.org/ueber-den-fachverband/)
Vermutlich wird sich auch der Kunst- und Kulturbereich mit dem Thema digitale Transformation beschäftigen müssen. Daran hängt ein Konzept, das den Besucher/Kunden in den Vordergrund stellt. Nachdem ich erst gestern gelesen habe, dass der Bühnenverein sich intensiv mit dem Thema Partizipation beschäftigt, ist der erste Schritt zumindest in diesem Bereich vielleicht schon getan.
Es wird immer KünstlerInnen geben, die sich nicht darum kümmern ob ihre Werke einen Markt haben. Die meisten sind aber an ihrer Umwelt und gesellschaftlichen Entwicklungen interessiert und wollen, dass ihre Arbeit wahrgenommen wird. Viele stehen auf „zwei Beinen“ und holen sich aus ihrer anderen Tätigkeit Impulse und Anregungen für ihre künstlerische Arbeit.
Vor kurzem fand ich den Beitrag „Facing Facts: Artists Have to be Entrepreneurs“ auf
http://howIround.com/facing-facts-artists-have-to-be-entrepreneurs
Ein gutes Beispiel ist auch die Münchner Platform http://www.platform-muenchen.de/konzept
Eigenartig finde ich, dass in Deutschland immer von Kultur- und Kreativwirtschaft gesprochen wird, während es in Österreich nach wie vor nur „Kreatvwirtschaft“ heißt, da ist zwar der Kunstmarkt inbegriffen, aber nicht dezitiert die einzelnen Kunstbereiche.
Nicht nur zwischen Deutschland und Österreich gibt es Unterschiede in der Benennung, das Dossier Kultur- oder Kreativwirtschaft: Was ist das eigentlich?zeigt, dass es gar nicht so einfach ist, sich im Bereich der „Kreativen“ zurechtzufinden, weil eine Vielzahl von Begriffen existiert.
Ja, ich denke auch, dass die Mehrzahl derer, die im Kunst- und Kulturbereich arbeiten, an optimalen Rahmenbedingungen interessiert sind und dazu gehört nun mal auch das Thema Geld. Danke für die Links. 🙂